Der BGH spricht im Urteil IV ZR 88/13 vom 16.o7.2014 wahre Worte gelassen aus:
16 aa) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist dabei vom Wortlaut auszugehen. Der verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 8. Mai 2013 – IV ZR 84/12, VersR 2013, 995 Rn. 10 m.w.N.). Liegt – wie hier – eine Versicherung zugunsten Dritter vor, so kommt es daneben auch auf die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Interessen an (Senatsurteile vom 22. Januar 2014 – IV ZR 127/12, […] Rn. 13; vom 8. Mai 2013 – IV ZR 233/11, VersR 2013, 853 Rn. 40 m.w.N.).
Ein praktisches Beispiel:
In § 5 Abs. II lit. c) der ARB der Itzehoer heißt es:
„Entstehen aus demselben Ereignis mehrere Leistungsarten, so wird die Selbstbeteiligung nur einmal in Abzug gebracht“.
1. Fall: Bußgeldbescheid wegen unerlaubten Überholens.
2. Fall: Die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (pikanterweise auch die Itzehoer) belastet in der Folge den SFR der Mandantin wegen eines angeblich durch dieses Überholen verursachten Unfalls.
Die Mandantin wehrt sich gegen diese Rabattbelastung.
Laut Itzehoer-RSV fällt die Selbstbeteiligung hier zwei Mal an, „da das hier streitige Handeln der Haftpflichtversicherung nicht auf den Unfalltag datiert. Es handelt sich hier im unterschiedliche Ereignisse.“
M.E. sind dagegen „aus demselben Ereignis“ – nämlich dem unerlaubten Überholen – sowohl eine Bußgeldsache als auch eine Zivilsache entstanden. Dass die Rabattbelastung (denknotwendig) zeitlich nachfolgt, dürfte dagegen gänzlich unerheblich sein, zumal sie kausal durch „das selbe Ereignis“ bedingt ist.
Verstehe ich den § 5 Abs. II lit. c) der ARB nun falsch oder die Itzehoer?
P.S.: Ein Kollege kam hier auf § 305 c Abs. II BGB:
Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
Auch kein schlechter Ansatz.
Die Itzehoer ficht das natürlich alles nicht an. Mal sehen, was die BaFin dazu sagt.
Update 22.o9.2014: Stellungnahmen bezüglich der BaFin-Beschwerde liegen noch nicht vor, aber die Itzehoer hat jetzt stillschweigend die einbehaltene („doppelte“) Selbstbeteiligung überwiesen. 😉
Tolle Seite. Für jemanden, der sich jeden Tag mit Rechtsschutz auseinandersetzen muss, eine wahre Inspirationsquelle.