Schon mit dem Beschluss IV ZR 281/98 vom 26. Januar 2000 hatte der BGH eine Schadensersatzverpflichtung der Rechtsschutzversicherung für eine zu Unrecht abgelehnte Kostendeckungszusage grundsätzlich für möglich erklärt:
„Es ist zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, daß der Rechtsschutzversicherer, der den Deckungsschutz zu Unrecht abgelehnt hat, auch den Schaden zu ersetzen hat, den der Versicherungsnehmer dadurch erleidet, daß er den beabsichtigten Rechtsstreit wegen Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht führt und seine Ansprüche deshalb allein wegen Versäumung der Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG verliert. Unter den hier vorliegenden Umständen führt aber der Mitverschuldenseinwand nach § 254 BGB zu einem Wegfall der Ersatzpflicht der Beklagten, weil der Kläger erst einen Monat vor Ablauf der Klagefrist Deckungsschutz beantragt und die Beklagte nicht ausdrücklich auf den drohenden Ablauf der Klagefrist hingewiesen und ihr nicht mitgeteilt hat, daß er ohne Deckungsschutz keine Klage erheben werde.“
Diese Rechtsprechung hat er nunmehr mit dem Urteil IV ZR 4/05 vom 15. März 2006 konkretisiert:
„Der Rechtsschutzversicherer kann aus positiver Vertragsverletzung grundsätzlich auch für den Schaden haften, den der Versicherungsnehmer dadurch erleidet, dass er infolge einer vertragswidrigen Verweigerung der Deckungszusage einen beabsichtigten Rechtsstreit nicht führen kann (Fortführung von BGH, Beschluss vom 26. Januar 2000 – IV ZR 281/98).“
Der BGH betont, dass die RSV keineswegs nur bis zur Höhe ihres Leistungsversprechens aus dem Versicherungsvertrag haftet, d.h. maximal in Höhe der geschuldeten Prozesskostenerstattung, vielmehr sei der geschädigte VN im Falle einer schuldhaften Leistungsstörung so zu stellen, wie wenn der Schuldner (RSV) ordnungsgemäß erfüllt hätte. Ferner sei die Klägerin grundsätzlich nicht verpflichtet gewesen, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder gar Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen.
Da der Rechtsstreit hinsichtlich der Schadenshöhe allerdings noch nicht entscheidungsreif war, wurde die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Es bleibt abzuwarten, ob diese Rechtsprechung den Rechtsschutzversicherern zu denken gibt. …
Nicht schlecht, aber kennen Sie den schon?:
OLG Koblenz (16.2.2006, 5 U 271/05) eröffnet Regress gegen Anwälte, die lediglich im eigenen Gebühreninteresse sinnlose Verfahren durchziehen
Anwälte dürfen auch bei einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung keine aussichtslosen Prozesse führen
Anwälte können sich bei schuldhafter Erhebung einer unschlüssigen Klage auch dann schadensersatzpflichtig machen, wenn die Rechtsschutzversicherung die Kosten des Prozesses getragen hat. Den Mandanten ist dann zwar kein Schaden entstanden. Der Schadensersatzanspruch wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags geht aber nach § 20 Abs.2 ARB auf den Rechtsschutzversicherer über. Diesen trifft wegen der Deckungszusage für die aussichtslose Klage regelmäßig kein Mitverschulden.
Der Sachverhalt:
Die Kläger hatten den Beklagten mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen in einem Streit mit einer Feuerversicherung wegen eines Brandschadens an ihrem Haus beauftragt. In der vorprozessualen Korrespondenz hatte die Versicherung den Beklagten ausdrücklich auf § 15 Nr.4 VGB hingewiesen. Hiernach steht dem Versicherungsnehmer nur dann ein den Zeitwert übersteigender Ersatzanspruch zu, wenn er eine näher bestimmte Verwendung der Entschädigung sicherstellt.
Der Beklagte erhob nach einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung der Kläger in deren Namen Klage gegen die Versicherung. Als diese darauf hinwies, dass die fehlende Sicherstellung im Sinn von § 15 Nr.4 VGB der begehrten Entschädigung entgegenstehe, nahm der Beklagte die Klage in der ersten mündlichen Verhandlung zurück. Die Kosten des Rechtsstreits wurden den Klägern auferlegt.
Die Kläger verlangten von dem Beklagten aus eigenem Recht sowie aus abgetretenem Recht ihrer Rechtsschutzversicherung die Erstattung der Prozesskosten. Das LG wies die hierauf gerichtete Klage ab, weil den Klägern wegen der Kostenübernahme der Rechtsschutzversicherung kein Schaden entstanden und eine Klage aus abgetretenem Recht der Versicherung missbräuchlich sei, weil der Versicherer die Erfolgsaussichten der Sache selbst geprüft und in Kenntnis alles maßgeblichen Tatsachen eine Deckungszusage erteilt habe.
Auf die Berufung des Klägers hob das OLG das Urteil der Vorinstanz auf und gab der Klage dem Grunde nach statt.
Die Gründe:
Die Kläger haben gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht der Rechtsschutzversicherung einen Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten. Der Beklagte hat schuldhaft eine unschlüssige Klage erhoben, so dass eine zum Schadensersatz verpflichtende Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags vorliegt.
Dem Schadensersatzanspruch steht nicht entgegen, dass die Rechtsschutzversicherung der Kläger für die unschlüssige Klage eine Deckungszusage erteilt hat. Die vertraglichen Pflichten eines Anwalts gegenüber seinen Mandanten werden nicht dadurch verändert oder eingeschränkt, dass die Mandanten rechtsschutzversichert sind. Diesen entsteht dann zwar kein Schaden. Der Schadensersatzanspruch wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags geht in diesen Fällen aber gemäß Â§ 20 Abs.2 ARB auf den Rechtsschutzversicherer über.
Es gibt auch keine dogmatische Grundlage dafür, den Klägern als ursprünglichen Anspruchsinhabern ein Mitverschulden des Rechtsschutzversicherers zuzurechnen. Die Voraussetzungen von § 254 Abs.2 S.2 BGB in Verbindung mit § 278 BGB sind insoweit nicht erfüllt, weil der Rechtschutzversicherer im Rahmen des Anwaltsvertrags nicht Erfüllungsgehilfe des Mandanten ist. Anwaltsvertrag und Versicherungsvertrag sind zwei vollkommen selbständige und voneinander unabhängige Rechtsverhältnisse.
Daneben ist auch fraglich, ob die Deckungszusage einer Rechtsschutzversicherung für einen aussichtslosen Prozess überhaupt ein Mitverschulden begründen kann. Es erscheint sehr zweifelhaft, ob die Versicherung nicht nur eine Prüfungsbefugnis, sondern eine Prüfungspflicht hat.
Es bleibt auch abzuwarten, ob diese Rechtsprechung einigen Kollegen zu denken gibt…
Auch nicht schlecht! Aber kennen Sie den schon:
Mandantin will wegen irgendeiner unsinnigen Sache 500 EUR Schmerzensgeld. Gegenseite zahlt nicht, Mandantin will Klage. Ich gebe den Wunsch der Mandantin unter ausführlicher Schilderung des Sachverhalts an den RSV weiter. Meine Meinung zu den Erfolgsaussichten darf ich dabei *nicht* darlegen (oder sehen Sie, werter Herr Ahrens das etwa anders?). Aber jeder geschulte *und gründliche* Leser muss sofort merken: die Erfolgsaussichten tendieren gegen Null.
Wird die Deckungszusage etwa verweigert? Mitnichten! Dass eine Vielzahl von RSV-Mitarbeitern RA-Schreiben eben nicht gründlich lesen, merkt man täglich. Und dafür soll *der RA* haften?
Diesen Beitrag meinen Sie doch nicht wirklich ernst, oder?
Falls doch: Nein, DEN kenne ich tatsächlich nicht, und DEN werde ich auch garantiert nicht kennenlernen. Das liegt daran, dass ich wegen „unsinniger“ Sachen eben keine Klage erhebe, sondern meine Mandanten entsprechend berate, wovon diese auch berechtigterweise ausgehen dürfen, und die Klage dann eben auch nicht durchziehe.
Und was soll überhaupt so eine Klage? Damit macht man sich doch vor dem erkennenden Gericht auch noch zum Deppen, da ja „jeder geschulte“ Leser den „Unsinn“ ohnehin erkennt ?
Und den „Unsinn“ melden Sie dann der RSV in der Hoffnung, von dort eine Ablehnung mangels Erfolgsaussichten zu bekommen ?
Lassen Sie mich raten: Wenn die „nichtlesenden“ Mitarbeiter dort Ihnen diesen Gefallen tun, schreiben Sie hier als nächstes einen Artikel über die böse RSV, die sich wegen „Kleinkram“ (Wert 500 Euro) mit Ihnen streitet, um sich gegenüber Ihrem Mandanten schön einfach rechtfertigen zu können.
Und wieso sollten Sie eigentlich hier nicht haften, wenn Sie der Meinung sind, „Unsinn“ durchziehen zu müssen? Weil der Schaden nicht Ihrem Mandanten, sondern dessen RSV entstanden ist?
Die Antwort hat das OLG Koblenz doch schon gegeben: JA, genau dafür haftet der RA.