Nach einer aktuellen Pressemitteilung des BGH beeinträchtigt die „Schadenssteuerung“ mancher Rechtsschutzversicherer nicht das Recht auf freie Anwaltswahl:
Die klagende Rechtsanwaltskammer verlangt von der Beklagten – einem Rechtsschutzversicherer – unter anderem, die Verwendung von Bestimmungen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2009) zu unterlassen, die ein Schadenfreiheitssystem mit variabler Selbstbeteiligung im Zusammenhang mit einer Anwaltsempfehlung betreffen. Die Bedingungen sehen eine Rückstufung von maximal 150 € pro Schadenfall vor, wobei diese durch Zeitablauf in den Folgejahren wieder ausgeglichen werden kann. Im Schadenfall unterbleibt allerdings diese Rückstufung – und damit in der Regel eine höhere Selbstbeteiligung beim nächsten Versicherungsfall -, wenn der Versicherungsnehmer einen Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt.
Das Landgericht wies die entsprechende Klage ab, auf die Berufung der Klägerin hatte das Oberlandesgericht die Beklagte unter anderem dazu verurteilt, die Verwendung der streitgegenständlichen Bestimmungen in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu unterlassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Mit Urteil IV ZR 215/12 vom o4.12.2013 hat der BGH das Urteil des OLG aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG zurückgewiesen. Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt, die Grenze zur Verletzung des Rechts auf freie Anwaltswahl werde erst überschritten, wenn die Vertragsgestaltung einen unzulässigen psychischen Druck zur Mandatierung des vom Versicherer vorgeschlagenen Anwalts ausübt. Das sei bei den von der Beklagten verwendeten Versicherungsbedingungen nicht der Fall.
Naja – 150. – Teuro haben oder nicht kann bei manchem Normalbürger schon erheblichen psychischen Druck bewirken – jedenfalls dann, wenn das Einkommen deutlich unter dem eines BGH-Richters liegt. 😉
Ansonsten sollte jeder RSV-Kunde überlegen, warum die Rechtsschutzversicherungen es wohl honorieren, wenn er auf den Anwalt seines Vertrauens verzichtet. Besser noch: Eine Rechtsschutzversicherung ohne Selbstbeteiligung und/oder zweifelhafte Rabattsysteme.
Tatsächlich eine wegweisende Entscheidung, die einen Teil des Anwaltsmarktes möglicherweise nachhaltig verändern wird. Habe hierzu heute auch etwas geschrieben: http://pabstblog.de/2013/12/anwaltsempfehlung-durch-die-rechtsschutzversicherung-zulaessig/
Da stellt sich für mich die Frage, ob Herr Koll. Pabst noch APRAXA-Genosse ist, nachdem er seinen dortigen Vorstandsposten verloren hat – vor Jahren. Die Bekl. war ja auch einige Zeit ein Rechtsschutzversicherer gewesen, mit denen die APRAXA e.G. Gebührenvereinbarungen getroffen hatte, die – nach einiger Zeit – den Anforderungen der Bekl. nicht mehr genügt haben.
Fazit: Wer Qualität will – „im Interesse der RS-Kunden“, der muss die gesetzlichen Gebühren nach RVG bezahlen.
In den USA heisst es sinnfällig: You always get, what you pay for. If you pay peanuts, you will get monkeys.
Selbstverständlich werden jetzt andere RSVen – zumindest die, die sich im APRAXA-Pool befinden – ebenfalls ganz offen Rabattsysteme für ihre Rechtsschutzkunden anbieten und gegenüber den „Partneranwälten“ die Preise drücken.
Die Presseveröffentlichund der Bekl. am 04.12.2013, wonach deren Vorstand „nach wie vor gegenüber der Anwaltschaft gesprächsbereit sei“ ist an Süffisanz nicht zu überbieten.
Man wartet dort selbstverständlich auf Kollegen, die an der „Tür kratzen“, damit sie zum Mitspielen eingeladen werden ….
Ich frage mich bei dem letzten Kommentar, was die frühere Vorstandstätigkeit des Kollegen Pabst mit dieser Entscheidung zu tun hat. Herr Pabst weist doch auf seiner homepage und in seinem Blog offen auf die APRAXA-Mitgliedschaft hin. Dort hat er im Übrigen auch hervorragende Arbeit geleistet.
Was vermutlich viele APRAXA-Anwälte noch nicht verstanden haben: Auf sie wird es nach dieser Entscheidung vielleicht bald gar nicht mehr ankommen. Denn der Versicherer könnte seinen Kunden ja auch eine Coburger Kanzlei empfehlen, egal, wo der VN wohnt.
Wann werden einige verstehen lernen, dass derartige Schadenfreiheitsrabatte letztlich von der Anwaltschaft finanziert werden, obwohl die RSV damit werben?
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@Michael:
So toll sollen die Erfolge des Herrn Koll. A.P. als Apraxa-Vorstand auch nicht gewesen sein. Man hat gehört, dass er seine Tätigkeit dort seinerzeit letztlich nicht auf eigenen Entschluss beendet hat …
Anyway, die RA-GmbH in Waldhaus (CH) vom ehem. Mitvorstand Dr.G. gibt es ja auch nicht mehr.
Na, da kannte der BGH die Entscheidung des EuGH vom 07. November 2013 wohl noch nicht. Diese verbietet meiner Meinung nach die Umgehung der freiheitlichen Anwaltswahl durch irgendwie geartete Konstellationen, und sie besagt wohl auch, dass an die Beschränkung der Höhe der zu übernehmenden Gebühren objektive Maßstäbe zu stellen sind, nicht personelle. Mal schauen, ob die RAK München eine Möglichkeit hat, vor den EuGH zu kommen.