In einer extrem umfangreichen Arzthaftungsangelegenheit (bereits über 100 Stunden investierte Arbeitszeit) vertrete ich eine Frau und ihre beiden Söhne, 5 und 12 Jahre alt, gegen den Träger eines Klinikums, in dem der Ehemann der Frau und Vater der Kinder nach einer Operation verstorben ist.
Die Leidensgeschichte des Mannes gleicht einem Martyrium: nach einer Routineoperation (Entfernung von Gallensteinen) wird eine akute Bauchspeicheldrüsenentzündung festgestellt. Der Mann wird in den folgenden 40 Tagen insgesamt 23 mal (!) folgeoperiert, weil seine gesamten inneren Organe in Mitleidenschaft gezogen sind. Der Mann stirbt schließlich an den Folgen einer Sepsis und multiplem Organversagen.
Die Deckungsanfrage für die außergerichtliche Vertretung an die DEURAG geht am 27.03.2007 raus und enthält eine kurze Schilderung des Sachverhalts. Ich teile mit, dass ich die Krankenunterlagen anfordern muss (die bei mir mittlerweile zwei große Leitz-Ordner einnehmen).
Die Antwort kommt unerwartet schnell am 30.03.2007:
„Wir gewähren Deckungsschutz für die auf eine Beratung beschränkte Tätigkeit.“
Das ist ja toll … Leider habe ich die Mandanten schon beraten und deshalb auch extra die Deckungszusage für die außergerichtliche Vertretung beantragt.
Warum diese Deckungszusage so zögerlich daherkommt, erschließt sich beim Weiterlesen:
>“Kostenschutz besteht nur für die Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund einer Falschbehandlung, jedoch nicht für die Recherchen, ob überhaupt ein Rechtsverstoß seitens des Behandlers bzw. der Klinik vorliegt.“
>>Ach ja ? Das sehen die Entscheidungen des OLG Celle, Urt. v. 18.01.2007, 8 U 198/06, VersR 2007, 1122-1124 und des OLG Köln, Urt. v. 16.04.2002, 9 U 129/01, ZfSch 2002, 495-497, aber ganz anders.
>Am 03.04.2007 lege ich also nach und weise den Sachbearbeiter höflich auf sein Versehen hin. Am 04.04.2007 kommt auch schon die Deckungszusage
>“… zunächst für die außergerichtliche Geltendmachung der Ansprüche. Die Deckungszusage erfolgt zunächst nur dem Grunde nach […]“
>>Na bitte, geht doch ! Aber mir schwant nichts Gutes. „Nur dem Grunde nach“ kann doch nur heißen, dass man nachher meinen Streitwert drücken möchte … Honi soit qui mal y pense …
>Mit Schreiben vom 25.09.2007 lege ich der DEURAG auf 14 (!) Seiten dar, was sich in der Angelegenheit so alles ereignet hat und welchen Schmerzensgeldbetrag ich als angemessen erachte.
>Diesmal lässt man sich mit einer Antwort schon etwas mehr Zeit. Mit Schreiben vom 04.11.2007 erinnere ich höflich an die Beantwortung meines Schreibens vom 25.09.2007. Und siehe da, es kommt, wie es kommen musste: mein Streitwert wird mit Schreiben vom 16.11.2007 als zu hoch erachtet:
>“… benötigen wir eine Bezifferung unter Bezugnahme auf Hacks-Ring-Böhm bzw. einschlägiger Entscheidungen“.
>>Klar, kein Problem, meinen Fall hat es in der Form ja sicher schon gegeben. Wie der Sachbearbeiter der gegnerischen Haftpflichtversicherung am Telefon auch so schön zu mir sagte: „so ein schlimmer Fall ist mir in 20 Jahren noch nicht untergekommen“.
Mit Schreiben vom 20.11.2007 weise ich auf die einschlägige OLG- und BGH-Rechtsprechung zur Unverbindlichkeit von Schmerzensgeldtabellen und die Notwendigkeit einer Einzelfallgerechtigkeit hin.
>Die Antwort der DEURAG kommt mit Schreiben vom 10.12.2007 und hinterlässt eine nachhaltige Störung meines Rechtsverständnisses:
„Bei der Bemessung eines Schmerzensgeldes ist vorliegend schmerzensgeldmindernd zu berücksichtigen, dass der Verstorbene die Gesundheitsschäden (lediglich) sechseinhalb Wochen zu erleiden hatte. Schmerzensgelderhöhend wirkt nicht der Umstand, dass durch die Pflichtverletzung das Leben frühzeitig beendet wurde.“
In mir keimt die juristisch durchaus interessante Frage auf, ob die Rechtsprechung, welche bei zögerlichem Regulierungsverhalten der gegnerischen Haftpflichtversicherung eine Erhöhung des Schmerzensgeldes gewährt, analog auf den Fall anwendbar ist, dass einem die eigene Rechtsschutzversicherung derart unverschämte und unsensible Briefe schreibt …
>Um des lieben Friedens willen rechne ich meinen Vorschuss vorerst nach dem von der DEURAG vorgeschlagenen Streitwert ab und stelle eine 2,2 Geschäftsgebühr (wurde bezahlt) sowie unter Bezugnahme auf die jüngste Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 08.02.2007, IX ZR 215/05) auch eine 1,2 Terminsgebühr in Rechnung. Denn mit der Gegenseite habe ich bereits mehrere Telefonate über die außergerichtliche Beendigung der Angelegenheit mit dem Ziel einer einvernehmlichen Einigung geführt. Nach der Rechtsprechung des BGH führt ein solches Telefonat auch im außergerichtlichen Bereich zum Anfall einer 1,2 Terminsgebühr, soweit dem Rechtsanwalt bereits unbedingter Klageauftrag vorliegt. Das von meiner Mandantin unterschriebene Auftragsformular enthält einen solchen unbedingten Klageauftrag. Das Auftragsformular übersende ich der DEURAG zur Prüfung in Kopie.
>Meine Mahnungen vom 03.02.2008, 14.02.2008 und 04.03.2008 zeigen allesamt keine Wirkung. Mit Schreiben vom 15.02.2008 teilt mir die DEURAG lediglich mit:
„Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH zur Terminsgebühr kann diese nur dann in Ansatz gebracht werden, wenn der Mandant einen unbedingten Klageauftrag erteilt hat. Hiervon konnten wir nicht ausgehen“.
Vom Ausgang der am Anfang dieser Woche eingereichten Deckungsklage werde ich berichten …
Verschlägt einem die Sprache: die schnelle Hilfestellung bei der Durch-
setzung derartiger Schadenersatzansprüche gehört ( oder gehörte) zu
den klassischen Aufgaben einer Rechtsschutzversicherung
Jaja, die Sache mit dem unbedingten Klageauftrag, ich bin mir fast sicher, dass die Deckungsklage verloren geht, da die Terminsgebühr zwei Haken hat:
1)Das die Terminsgebühr angefallen ist, wird wohl weniger das Problem sein.
Der Versicherungsnehmer wird aber sicherlich mit der Erteilung eines unbedingten Klageauftrages gegen die Schadenminderungspflicht verstoßen, da ja dadurch gerade die Terminsgebühr anfällt und somit eine unnötige Kostenerhöhung ohne Zustimmung des Versicherers erfolgt ist, was bekanntlich zur (vollständigen) Leistungsfreiheit führt.
2)Unbedingter Klageauftrag????? fällt überhaupt eine Geschäftsgebühr an?……
… der Kommentar von „Leser“ sollte nicht unkommentiert dahinstehen.
„Leser“ scheint Deckungsklage und Leistungsklage gleichzusetzen – obwohl DEURAG ja ersichtlich die Leistungsverpflichtung dem Grunde nach angenommen hat.
Schlimm ist, das aus dem Kommentar von „Leser“ ersichtliche Verständnis der Leistung eines Rechtsschutzversicherers. Dieser verspricht nach überkommener Sichtweise für – vom Versicherungsnehmer alleine nicht aufbringbaren – Rechtsschutz zu sorgen. Allein dies macht seine Existenzberechtigung aus. Seine Zahlungen im Rechtsschutzfall sind simpler Betriebsaufwand, vergleichbar der Herausgabe eines Brötchens durch den Bäcker. Dies als „Schaden“ zu deklarieren ist nur richtig, wenn man die originäre Aufgabe einer Versicherung darin sieht, die anvertrauten Gelder ausschließlich für sich selbst zu verwenden. — Leider scheint dieses Fehlverständnis derzeit Mode und wird diese Sichtweise im Verhalten der Versicherung deutlich. Diese versucht offenbar mit allen und seien sie auch noch so absurden Argumenten (siehe die Ausführungen zu „Beratung, Recherchen, Schmerzensgeldminderung usw.) sich ihrer Leistungsverpflichtung zu entziehen. Gut, dass die Kunden hier lesen können, wie das „Leistungsversprechen“ dann eingelöst wird. — Empfehlung an DEURAG: Standardtextbaustein „Wir zahlen nur nach verlorenem Prozess“ verwenden, Sachbearbeiter der sog. Schaden-(eigentlich Leistungs-)abteilung können entlassen werden, diesen Textbaustein verschickt jedes Callcenter billigst, sicher auch aus China.