Die Mindermeinung der Advocard

Rechtsanwalt Santo Bartsch berichtet über die Advocard, die keine Terminsgebühr zahlen will:

Trotz entgegenstehender Rechtsprechung (OLG Koblenz, LG Memmingen) und der herrschenden Ansicht in der Literatur weigert sich die Advocard, eine angefallene Terminsgebühr zu tragen.

Hintergrund: Mit Klagauftrag verhandele ich in einer Arbeitsrechtssache, die dann durch einen außergerichtlichen Vergleich erledigt wird. Klage mußte deshalb trotz Klagauftrags nicht mehr eingereicht werden.

Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG fällt die Terminsgebühr auch im außergerichtlichen Bereich an, wenn durch eine Besprechung ein Verfahren vermieden wird. Das OLG Koblenz u. das LG Memmingen haben in ähnlich gelagerten Fällen bereits entschieden, daß die Terminsgebühr – nach dem reinen Wortlaut der Bestimmung – auch im außergerichtlichen Bereich anfallen.

Nur die Advocard vertritt natürlich eine andere Meinung und bezieht sich auf eine Entscheidung des LG Freiburg.

In dem ersten Abrechnungsschreiben behauptet die Advocard sogar, daß eine „Terminsgebühr … Im außergerichtlichen Bereich grundsätzlich nicht entstehen“ kann. Das ist natürlich angesichts der eindeutigen Formulierung in der Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG in dieser Eindeutigkeit ohnehin falsch. Denn ein Rechtsstreit läßt sich nur vermeiden, wenn er noch nicht begonnen ist.

Auf meine Bitte, die Sache zu überprüfen, erhielt ich als Stellungnahme der Advocard ein Fax, das erneut behauptet, eine Terminsgebühr sei nicht entstanden. Dabei wird behauptet, die Gebühren aus dem Teil 2 des Vergütungsverzeichnisses schließen Gebühren des 3. Teils des VV RVG aus. In Anbetracht des klaren Wortlautes halte ich das für eine Interpretation, die falsch ist.

Viele Fragen, die sich seit der Einführung des neuen Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) ergeben haben, sind noch nicht abschließend geklärt. Man kann also im einzelnen Fall durchaus verschiedene Ansichten vertreten. Es ist aber eine Frage der Qualität der Leistungen, wenn der Versicherer stets die Ansicht vertritt, die für ihn die günstigste ist.

6 Responses to “Die Mindermeinung der Advocard”

  1. anonymisiert sagt:

    In genau dieser Frage haben wir die Allianz vor dem AG Neumünster verklagt unter Beifügung der diesbezüglichen Rechtsprechung. Nach wenigen Schriftsätzen bat die Gegenseite letzte Woche schließlich darum, den Rechtsstreit zu beenden, sie werde auch sämtliche Kosten tragen.

    Fazit: Auf keinen Fall klein beigeben! Es lohnt sich!

  2. anonymisiert sagt:

    @RA Bartsch
    … der SV scheint wohl klar die TB-Merkmale zu erfüllen. Insoweit ist die Meinung der RSV eindeutig abwegig. Da es aber im Bereich der Schlitzohrigkeit der RSV wohl darauf angekommen sein dürfte, Ihnen das Problem des Nachweises der Existenz eines (Klage)Auftrags zuzuschieben, würde mich die abwegige oder zutreffende Argumentation des LG Freiburg interessieren ….

  3. anonymisiert sagt:

    Ich dachte erst, ich habe das Urteil des LG Freiburg. Leider aber doch nicht. Vielleicht bekomme ich es von der Advocard. Dann sage ich Bescheid.

  4. anonymisiert sagt:

    Dabei handelt es sich leider unter Rechtsschutzverischerern keineswegs um eine Mindermeinung.
    Ich selbst führe bei ähnlichen SV einen Rechtsstreit mit einer Rechtsschutzversicherung, die es sich nicht hat nehmen lassen, in zwei sehr erschöpfenden Schriftsätzen die entspr. Vorschrift des RVG bis ins kleinste Detail zu zerlegen.
    Vorläufiger Höhepunkt: Die Behauptung gegenüber dem Gericht, die Anwaltschaft nutze Vorschrift, um Gebühren zu schinden:
    „Unter diesen Umständen ließe sich künftig jeder Rechtsanwalt Prozessauftrag erteilen, nur um auf diese Weise höhere Gebühren abrechnen zu können. Anwaltlichem Mißbrauch wäre Tür und Tor geöffnet. Viele Anwälte würde möglicherweise dazu verleitet werden, sich noch schnell vor dem ohnehin geplanten Gespräch mit der gegenseite einen Klageauftrag erteilen zu lassen, nur um auf diese Weise eine zusätzliche Terminsgebühr in Höhe von 1,2 abrechnen zu können.“
    Die Anwaltschaft derart unter Generalverdacht zu stellen, ist unterste Schublade.

  5. anonymisiert sagt:

    Ach, was isses doch schön, liebenswerte Zeitgenossen um sich versammelt zu sehen.
    Das haben die von der AdvoCard sich wohl mit ihrer Bärengeschichte so schön vorgestellt.

    Aber die deutschen RichterInnen sind eben keine Kammerherren wie bei H.Ch.Andersen:

    „Und die Kammerherren gingen und trugen die Schleppe, die gar nicht da war.“ (Des Kaisers neue Kleider“).

    Nur, der Kaiser war vernünftiger als sein Apparat:

    „Das ergriff den Kaiser, denn das Volk schien ihm recht zu haben, aber er dachte bei sich: ,Nun muss ich aushalten‘.

    Ja, vielleicht wäre ein wenig Contenance angebracht.

  6. anonymisiert sagt:

    Auch die AUXILIA -Rechtsschutz beruft sich darauf, dass die Terminsgebühr für Besprechungen nur bei Anhängigkeit eines gerichtlichen verfahrens entstehen kann. Zur Begründung werden Entscheidungen des LG Freiburg sowie des AG Düsseldorf herangezogen. Aufgrund des Wortlauts sowie der gesetzessystematik erscheint diese Auffassung schlicht und einfach falsch, zumal hier durch eine umfangreiche Besprechung trotz vorliegendem Klageauftrag ein verfahren vermieden werden konnte.

    Für Informationen zu anderslautenden Entscheidungen wäre ich dankbar.