Was denn sonst – sollte man denken. Die Praxis (neudeutsch auch Schadenssteuerung genannt) sieht anders aus:
Rechtsschutzversicherer leiten Versicherungsnehmer gerne bevorzugt an Vertragsanwälte weiter. Diese Praxis fand deutliche Kritik der bayerischen Justiz- und Verbraucherschutzministerin, wie beck-aktuell berichtet:
Die freie Wahl des Rechtsanwalts ist ein wesentlicher Grundsatz der deutschen Rechtsordnung, findet Bayerns Justiz- und Verbraucherschutzministerin Beate Merk (CSU): „Nur wer seinen Rechtsbeistand frei wählen kann, kann seine Rechte eigenverantwortlich und bestmöglich wahrnehmen.“ Das müssten auch die Rechtsschutzversicherungen beachten, so die Ministerin in einer Mitteilung ihres Ministeriums. Das Versicherungsvertragsgesetz verbiete ihnen deshalb, die freie Anwaltswahl in Gerichts- und Verwaltungsverfahren einzuschränken.
Die Ministerin weiter: „Wenn eine Rechtsschutzversicherung ihre Kunden über qualifizierte Anwälte informiert, ist das als Serviceleistung durchaus zu begrüßen. Für mich ist die Grenze aber dann überschritten, wenn die Versicherten in unzulässiger Weise zur Wahl von Vertragsanwälten der Versicherung bewegt werden sollen.“ Nach Merk ist das beispielsweise dann der Fall, wenn dem Versicherten, der lieber den Anwalt seines Vertrauens beauftragt, mit der Erhöhung der Versicherungsprämie gedroht wird. Oder wenn umgekehrt finanzielle Vorteile winken, falls man sich für den von der Versicherung empfohlenen Vertragsanwalt entscheidet.
„Das deutsche und das europäische Recht untersagen mit gutem Grund die Einschränkung der freien Anwaltswahl. Sobald zwischen dem Rechtsanwalt und der Rechtsschutzversicherung eine Geschäftsbeziehung besteht, wächst die Gefahr einer Interessenkollision zu Lasten des Versicherten. Denn die Versicherung mindert ihr Kostenrisiko, wenn der Rechtsanwalt dem Versicherten vom Rechtsstreit abrät und es nicht zum Prozess kommt“, erklärt die bayerische Justiz- und Verbraucherschutzministerin. Merk fordert daher die Versicherungsaufsicht auf, die Praxis einiger Rechtsschutzversicherungen unter die Lupe zu nehmen und erforderlichenfalls tätig zu werden.
In der Tat ein Missstand, der auch hier bereits des öfteren kritisiert wurde. Es bleibt abzuwarten, ob und ggf. wie die BaFin hierauf reagiert.
Dank an den Kollegen Dr. Imhof für den Hinweis auf den Beitrag.
Hier ganz offiziell auf bayern.de
http://www.justiz.bayern.de/ministerium/presse/archiv/2011/detail/79.php
Gut, daß das jetzt auch endlich von der Politik aufgegriffen wird!
Hallo Herr Kollege Imhof,
die oben genannte Problematik existiert schon seit Jahren. Die Rechtsschutzversicherer haben sich auf diese Weise schleichend daran gemacht, den Mandantenmarkt bundesweit zu manipulieren, indem rechtsschutzversicherte Kunden bewusst auf Rechtsanwälte gelotst werden, die zu „gesonderten Bedingungen“ arbeiten.
Die Anwaltschaft und auch unsere Interessensvertreter sind leider zu träge und haben zu wenig Weitblick, um hierauf zu reagieren.
Es wäre interessant zu sehen, welcher betriebswirtschaftliche Schaden bundesweit für die Anwaltschaft durch diese gezielte „Unterwanderung“ entstanden ist.
Die Anwaltschaft merkt diese Politik nur daran, dass ihr Mandatsvolumen zurück geht und fragt sich völlig naiv, warum denn nur….
Am 19.10.2011 findet in Hamburg ein DAV Forum mit genau dieser Thematik statt. Es sind auch Interessenvertreter von Rechtsschutzversicherungen geladen. Sie könne sich sicherlich vorstellen, welche Art der Kommunikation dort wieder geführt werden wird.
Sie können davon ausgehen, dass wir Rechtanwälte dort wieder die „Partner“ der Rechtsschutzversicherer sind und hinten herum wird wieder schön „gesteuert“.
Auf nach Hamburg…. und gemeinsam Schwerter ziehen…. für eine solidarische Interessenvertretung der Anwaltschaft.
RA Nils J. Kratzer, LL.M.
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Ich muss als Rechtschutzversicherter auch einmal etwas dazu anmerken:
Wir streiten seit einigen Jahren immer wieder einmal mit der Hauseigentümerin wegen unserer Mietwohnung – sei es wegen verspäteter Nebenkostenabrechnungen oder auch wegen Mietmängeln. (Anm.: Die Eigentümerin hat „einen Igel in der Tasche“ und lässt Mängel erst nach Gerichtsurteil beheben.)
Nun kam Ende letzten Jahres ein Mieterhöhungsbegehren der Eigentümerin. Satte 20 % sollte die Miete erhöht werden, obwohl nach Gerichtsurteilen noch Mietmängel bestehen und dafür sogar eine Mietminderung gemacht wird. Grund der Mieterhöhung: Angebliche Modernisierung des Bades. Tatsächlich wurde nach einem Wasserschaden lediglich Instand gesetzt.
Unser bisheriger Rechtsanwalt (unseres Vertrauens …) meinte nur lapidar: „Wir haben die letzte Mieterhöhung bereits abgelehnt. Diese müssen wir nun leider akzeptieren.“ Eine Rückfrage bei der D.A.S. zur Aussage ergab, dass man dort gar nicht erfreut war. Man suchte uns umgehend einen neuen Rechtsanwalt raus, bei dem wir auch schnell einen Termin bekamen. Dieser Anwalt hat dann das Mieterhöhungsbegehren abgelehnt, was zu einem Rechtsstreit führte.
Ergebnis: Wegen falscher Berechnung der Wohnfläche (es gibt in der Wohnung ein paar Räume, die gerade einmal 2 Meter Deckenhöhe haben …) bekommen wir nun eine Menge Geld wieder und zahlen zukündtig fast 20 % weniger Miete! Und die durch einen Sachverständigen festgestellten Mängel muss die Vermieterin auch noch beheben lassen.
Wir sind mit dem Vertragsanwalt der D.A.S. also sehr zufrieden …
Es geht auch nicht darum, dass die Partneranwälte schlechtere Anwälte sind. Aber arbeiten Sie eben doch zu „gesonderten Bedingungen“, wie Nilsibabe so schön sagt. Mit den Kooperationen die die Versicherer herstellen, wird die freie Anwaltswahl unterlaufen.
Und Ihnen persönlich möchte ich auf den Weg geben, dass die Zeiten eines „Vertrauensanwaltes“ nach meiner Ansicht vorbei sind. Ein Anwalt für alle Fälle, ist schwierig zu realisieren, denke ich. Die Entwicklungen in den einzelnen Rechtsgebieten geht mittlerweile sehr schnell. Sie gehen ja auch nicht mit einem Beinbruch zum Hautarzt. Und der Hausarzt überweist Sie schließlich auch. Ihr Hausanwalt wird das schon wegen seines Gebühreninteresses eher nicht tun.
Das Recht auf die freie Anwaltswahl wird immer behauptet. Aber ich meine, dass sich das nicht unbedingt zwingend aus dem Gesetz ableiten läßt.
Die entsprechende Vorschrift lautet:
§ 127 Freie Anwaltswahl
(1) Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, zu seiner Vertretung in Gerichts- und Verwaltungsverfahren den Rechtsanwalt, der seine Interessen wahrnehmen soll, aus dem Kreis der Rechtsanwälte, deren Vergütung der Versicherer nach dem Versicherungsvertrag trägt, frei zu wählen. Dies gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer Rechtsschutz für die sonstige Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Anspruch nehmen kann.
(2) Rechtsanwalt ist auch, wer berechtigt ist, unter einer der in der Anlage zu § 1 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 9. März 2000 (BGBl. I S. 182, 1349), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Oktober 2003 (BGBl. I S. 2074) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung genannten Bezeichnungen beruflich tätig zu werden.
Ich stolpere hier vor allem über: „aus dem Kreis der Rechtsanwälte, deren Vergütung der Versicherer nach dem Versicherungsvertrag trägt,“
Das bedeutet doch, dass es nach dem VVG auch Versicherungsverträge geben kann, bei denen der Kreis der Rechtsanwälte, deren Vergütungung getragen, auch eingeschränkt sein kann. Ansonsten würde dieser Halbsatz im Gesetz keinen Sinn machen.
Dazu kommt noch, dass es sich bei der RSV nicht um eine Pflichtversicherung handelt. Der einzelne entscheidet selbst, ob er sich überhaupt versichern will oder nicht. Wenn man schon entscheiden kann, dass man keine RSV hat und damit keinen Schutz hat, dann muß man sich auch entscheiden können, eine RSV mit einem geringerem Umfang, auch hinsichtlich der Anwaltswahl abzuschließen.
Wenn die Anwaltschaft die freie Anwaltswahl will, sollte sie sich dafür einsetzen, die RSV zur Pflichtversicherung zu machen 😉
@ Sachbearbeiter
diese – höflich formuliert – eigenwillige Interpretation verstößt klar gegen das Benachteiligungsbverbot des § 126 VVG. Der RSV kann deshalb gerade nicht bestimmen, für welche RAe er die Vergütung übernimmt. Der in § 127 Abs. 1 S.1 VVG genannte Kreis von RAen bedeutet lediglich, dass der RSV berechtigt sein soll, den Kreis der RAE, deren Vergütung unter den Versicherungsschutz fallen soll, nach Risikokriterien zu beschränken – so der im Zweifel versicherungsaffine Kommentar von Harbauer zu § 127 VVG, Rn 2.
RS als Pflichtversicherung? Meines Wissens beginnt der Karneval erst am 11.11.
@ Werner
„RS als Pflichtversicherung? Meines Wissens beginnt der Karneval erst am 11.11.“
Deshalb ja auch das 😉
Dass die RSV die Vergütung nicht bestimmen kann, ist klar. Aber sie m.E. den Kreis der Rechtsanwälte im Versicherungsvertrag normieren, für den Kosten erstattet werden. Und klar ist auch, dass mit diesen RAe dann Gebührenabkommen bestehen werden.
Ich verstehe Ihr Argument noch nicht, dass die RSV nach § 127 VVG lediglich den Kreis der RAe nach Risikokriterien beschränken darf. Was für Risikokriterien könnten dies sein? (Dies ist jetzt keine Ironie, sondern wirkliches Interesse an Ihrer Argumentation. Ich würde mich über eine ernsthafte Antwort freuen.)
Mal nach Europa geguckt?
„(1) In jedem Rechtsschutz-Versicherungsvertrag ist ausdrücklich anzuerkennen, daß
a) wenn ein Rechtsanwalt oder eine sonstige nach dem nationalen Recht entsprechend qualifizierte Person in Anspruch genommen wird, um in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren den Versicherten zu verteidigen, zu vertreten oder seine Interessen wahrzunehmen, dem Versicherten die Wahl des Rechtsanwalts oder der sonstigen Person freisteht; “
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31987L0344:DE:NOT
@ Heinz-Ulrich Schwarz
„in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren“
Wie wäre es denn, wenn die RSV einen Tarif auf den Markt bringen, der bei der vorgerichtlichen Vertretung den Kreis der wählbaren RAe einschränkt? In der Praxis werden dann die wenigstens VN für das gerichtliche Verfahren den Anwalt wechseln wollen. Das müßte doch mit der Richtlinie vereinbar sein?
Sie zäumen das Pferd von hinten auf. Die „überschrift“ der europäischen Richtlinie ist die Vermeidung einer Interessenkollision. Und der böse Schein einer Interessenkollision wird eben am besten gewahrt, wenn die freie Anwaltswahl gesichert ist.