Wer NICHT bei der Advocard in Hamburg rechtschutzversichert ist, kann eine Menge Geld sparen. Diesen Eindruck hat jedenfalls – ich meine ganz zu Recht – ein von mir vertretener Arbeitnehmer aus Berlin. Dessen Fall will sich die Advocard „schönrechnen“, bis unter die Grenze des vereinbarten Selbstbehalts (250 €). Und das geht in Hamburg so:
Ein -wie er glaubt- bei der Advocard rechtsschutzversicherter Arbeitnehmer (Verdienst 400,00€/mtl.) ist als Saisonkraft in einem Berliner Gastronomiebetrieb beschäftigt. Durch einen unverschuldeten Verkehrsunfall wird er am 01.05.2005 schwer verletzt und ist mehrere Wochen arbeitsunfähig krank. Der Arbeitgeber zahlt ihm zunächst nicht einmal die gesetzliche Entgeltforzahlung im Krankheitsfall, findet sich dazu erst (rückwirkend) nach zwei Monaten bereit, leistet auch dann aber nur teilweise Zahlung. Lohnabrechnungen erhält er von seinem Arbeitgeber nicht.
Als der Arbeitnehmer seine Arbeit am 01.07.2005 wieder aufnehmen will, darf er nicht arbeiten und wird nach Hause geschickt. Erst am 04.07.2005 soll er wieder zu Arbeit kommen. Gesagt, getan: Am 04.07.2005 erhält er jedoch keine Arbeit zugewiesen, sondern nur eine Kündigung „vom 16.06.2005“ ausgehändigt, die bereits „zum 30.06.2005“ wirken soll.
Trotz dieser Wildwestmethoden des Arbeitgebers will mein Mandant zunächst eine Klärung der Angelegenheit ohne Einschaltung der Gerichte versuchen:
Er hofft noch, wenigstens für die folgende Saison wieder von dem Arbeitgeber beschäftigt zu werden.
Viel Zeit für aussergerichtliche Verhandlungen bleibt ihm jedoch nicht. Gegen die Kündigung muss (nach damaliger Rechtslage) noch im Juli 2005 Klage erhoben werden, um wenigstens die Einhaltung der Kündigungsfrist (bis zum 15.08.2005) und entsprechende Lohnzahlungen des Arbeitgebers zu sichern.
Mit Anwaltsschreiben vom 11.07.2005 werden die Zahlungsansprüche geltend gemacht. Der Arbeitgeber wird darauf hingewiesen, das die Kündigung jedenfalls erst zum 15.08.2005 wirken kann und um Abrechnung der ausstehenden Löhne (Mai, Juni), sowie Nachzahlung des noch fehlenden Entgelts (aus der Entgeltfortzahlung) gebeten und – zur Vermeidung eines Klageverfahrens – Frist zur schriftlichen Antwort auf den 22.07.2005 gesetzt. Bis dahin soll der Arbeitgeber erklären, das er meinen Mandanten – unter Einhaltung der Kündigungsfrist – bis zum 15.08.2005 (Ende der Kündigungsfrist) bezahlen wird.
Die Advocard wird von mir zeitgleich (am 11.07.2005) informiert und um Kostendeckung gebeten.
Am 14.07.2005 meldet sich telefonisch ein Vertreter des Arbeitgebers, behauptet das mein Mandant nur auf Probe eingestellt gewesen sei, Lohnrückstände nicht bestünden, die Kündigung schon vor dem 04.07.2005 übergeben worden sei, etc. pp. Die Sache werde beim Arbeitgeber aber noch einmal geprüft, um einen Rechtsstreit ggf. zu vermeiden.
Eine schriftliche Nachfrage der Advocard wird am selben Tag beantwortet, die angeforderten Unterlagen (Kündigungsschreiben) dorthin übersandt. Kostendeckungszusage ist bis dahin nicht erteilt.
Da der Arbeitgeber in der Sache nicht mehr reagiert, wird am letzten Tag der gesetzlichen Frist (22.07.2005) Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben. Das Arbeitgericht soll feststellen, das der Arbeitgeber die rückständigen Löhne zu zahlen hat und das Arbeitsverhältnis nicht am 30.06.2005 geendet hat.
Die Advocard erhält am 25.07.2005 eine Kopie der Klageschrift und wird zugleich aufgefordert Kostendeckung zu erklären und die Kosten der vorgerichtlichen Anwaltstätigkeit auszugleichen.
Nun kommt die Advocard plötzlich auf Trab:
Bereits zwei Tage später werden jegliche Zahlungen abgelehnt. Begründung: Eine vorgerichtliche Anwaltstätigkeit sei gar nicht erforderlich gewesen. Schliesslich sei ja schon kurz nach dem erstmaligen Tätigwerden meines Büros Klage erhoben worden. Darum könne für die vorgerichtliche Tätigkeit kein Kostenschutz gewährt werden. Nur für das Klageverfahren würden Kosten übernommen werden, soweit diese höher als 250,00 € (Selbstbehalt des Arbeitnehmers) seien.
NACH Klageerhebung wird nun auch endlich der Arbeitgeber aktiv. Noch vor dem ersten Gerichtstermin rechnet er die Löhne für meinen Mandanten bis zum 15.08.2005 ab und zahlt diese aus. Das Klageverfahren erledigt sich dadurch ohne Termin.
Am 13.09.2005 wird die Sache gegenüber der Advocard insgesamt abgerechnet, die allerdings jegliche Zahlungen veweigert: Die Kosten (nur) des Prozessverfahrens liegen nach deren Berechnung unter 250,00 € und seien darum allein von meinem Mandanten zu tragen.
An diesem Standpunkt hält die Advocard bis heute – trotz mehrerer Versuche meines Mandanten die Sache in Hamburg telefonisch zu klären- fest.
Fazit:
Die an die Advocard gezahlten Versicherungsprämien hätte sich mein Mandant sparen können. Er erhält für seine Zahlungen exakt NULL Leistung. Unerträglich daran ist allerdings nicht nur in welch rüdem Tonfall dieser Rechtsschutzversicherer seinen Versicherungsnehmer am Telefon regelmässig abgewiesen hat, sondern auch die anmaßende Sachbehandlung durch die Advocard, die offensichtlich meint selbst bestimmen zu dürfen ob und wann ihre Versicherungsnehmer eine aussergerichtliche Einigung mit dem eigenen Arbeitgeber versuchen dürfen und die sich in diesem Fall mit mehr als fadenscheinigen Argumenten der eigenen Regulierungspflicht (für die aussergerichtliche Tätigkeit des Anwalts) zu entziehen versucht.
Mein Mandant wird seine Erlebnisse in seinem Bekanntenkreis weiter berichten. Die Advocard wird dabei nicht gut dastehen. Sie ist weder Anwalts Liebling, noch liebenswert zu Ihren Versicherungsnehmern. Da helfen auch teure Werbespots im Fernsehen nichts.
In diesem Sinne:
Viele Grüsse nach Hamburg. Eine tolle Fernsehwerbung!
Vielleicht fällt der eine oder andere Unbedarfte auch in Zukunft noch auf diese vollmundigen Versprechungen im Werbefernsehen herein. Alle anderen sind gewarnt – und sparen sich die Prämien für die Advocard.
Unabhängig von der SB (250.- SB machen eine RS-Versicherung m.E. ohnehin fragwürdig, da viele Alltagsfälle dadurch zu einem Großteil nicht abgedeckt werden) ist die Vorgehensweise ein beliebter „Trick“ vieler Rechtsschutzversicherer, leider nicht nur der Advocard.
Die Argumentation lautet dabei, dass seit Inkrafttreten des RVG ja die aussergerichtlichen Gebühren nur teilweise angerechnet würden, sodass man sich aussergerichtliche Tätigkeit sparen könne. (§ 17 der ARB – Obliegenheitspflichtverletzung, da unnötige Kostenerhöhung). Das verfängt aus mehreren Gründen nicht:
1. Soweit das Arbeitsverhältnis noch besteht, will der Mandant in der Regel dieses durch einen Prozess ohne aussergerichtliche Vorwarnung nicht „belasten“, da er ja dort gerne noch weiterarbeiten möchte. Dies gilt natürlich auch und gerade bei Kündigungsschutz- oder Lohnzahlungsprozessen. Insoweit dürfte in dem Begehren, gleich zu klagen, eine unangemessene Benachteiligung des VN zu sehen sein, sodass schon allein aus diesem Grunde keine Obliegenheitspflichtverletzung vorliegt.
2. Durch eine vorherige außergerichtliche Tätigkeit entstehen nicht denknotwendig höhere Gebühren, sodass auch aus diesem Grund keine Obliegenheitspflichtverletzung vorliegt. Bei etwa einem arbeitsgerichtlichen Vergleich entstehen bekanntlich 3.5 Gebühren. Soweit der Vergleich im aussergerichtliche Bereich erreicht werden kann, entstehen aber lediglich 2.8 Gebühren. Aus der Tatsache, dass man hinterher natürlich immer schlauer schlauer ist, kann man aber nicht auf eine Obliegenheitspflichtverletzung schliessen.
Da der Mandant angesichts des Wertes wohl kaum „Lust“ auf eine Deckungsklage verspüren dürfte, wäre das m. E. ein Fall für den Ombudsmann.
Dieser Fall ist natürlich bedauerlich, man sollte sich aber auch darüber klar sein, daß seit der Einführung des RVG viele Anwälte sehr plötzlich ihre Liebe zur außergerichtlichen Streitbeilegung im Arbeitsrecht entdeckt haben.
Da wird dann in Sachen, wo früher direkt und nur geklagt worden wäre stattdessen am selben Tag, an dem die Klage losgeschickt wird noch eine außergerichtliche Zurückweisung der Kündigung an den Arbeitgeber gefaxt und anschliessend versucht, dies als außergerichtliche Tätigkeit zu verkaufen.
Wenn aufgrund solcher Erfahrungen die RSV momentan „zickig“ sind, dürfte dies keinen verwundern, auch wenn das keine Entschuldigung für Fälle wie den oben geschilderten ist.
Man kann nur hoffen, daß diejenigen Kollegen auf beiden Seiten zur Besinnung kommen und sich diesbezüglich die Lage wieder beruhigt.
Bis dahin empfiehlt es sich eventuell, über die Erforderlichkeit bzw. den Sinn der außergerichtlichen Tätigkeit ein bis zwei Sätze an die RSV zu schreiben.
Kann die rüde Vorgehensweise der Advocard nur bestätigen.
Für eine wirklich klare und durchsichtige Sachlage hat die Bearbeitung
beim ersten Sachgbearbeiter 5 Monate gedauert, nach Beschwerde
wurde ein andre Beauftragt: der brauchte 1 Monat, nachdem die
Angelegenheit nochmals geschildert werden mußte. Dann folgte
diue Kostenzusage. Dann folgte, obwohl das anstehende Gerichts-
verfahren noch gar nicht anberaumt ist, die Kündigung, oder
eine SB von 2500,- .
Unfreundliche Telefongespräche waren an der Tagesordnung.
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[…] Nicht versichert – Und dabei gespart! […]
Ich führe derzeit in vergleichbarer Sache einen Rechtsstreit gegen den DAS. Von dort wird eine halbe Seite amtsgerichtlicher Rechtsprechung zitiert, die diese Verfahrensweise billigt.
Kann mir jemand „Schützenhilfe leisten mit Urteilen, in denen die RSV zur Zahlung verurteilt wird??