In einer OWi-Angelegenheit fordere ich beim ADAC einen Vorschuß an, wobei ich für die jeweiligen Gebühren die Mittelgebühr ansetze.
Daraufhin kürzt der ADAC erst einmal die von mir festgesetzten Gebühren mit dem Hinweis, daß der Ansatz einer Mittelgebühr nicht gerechtfertigt sei. Außerdem will der ADAC die Postpauschale nach 7002 VV RVG nur einmal bezahlen, obwohl wir uns bereits im gerichtlichen Verfahren befinden.
Nach einem netten Hinweisschreiben, daß ich das Ermessen ausübe und die Postpauschale zweimal zu zahlen ist, erhalt ich die Mittelgebühren aber nicht die Postpauschale.
Meint der ADAC wegen der € 20,00 + MwSt werde ich nicht nachhacken?
Wenn sich da mal nicht jemand verpockert hat…
Denn hacken Sie mal. 😉
Sind verpockern ansteckend? 🙂
Vorher würde ich aber das Urteil des OLG Saarbrücken lesen (NJOZ 2007, S. 491).
Das Urteil betrifft aber ein Strafverfahren.
Hier ist es ein OWi-Verfahren mit dem Vorverfahren bei der Verwaltungsbehörde.
Mein Hinweis im Schreiben an den ADAC war da schon eindeutig:“Im übrigen ist auch die Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG für das Verwaltungsverfahren und das gerichtliche Verfahren jeweils einmal zu zahlen, da gemäß Â§ 15 RVG das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das sich anschließende gerichtliche Verfahren jeweils eine Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne darstellen (LG Köln, Urt. v. 01.10.2008 – 20 S 15/08, Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Auflage 2008, § 17 RVG Rn. 63; LG Hamburg, Urteil vom 9. 8. 2006, Az. 319 S 3/06 weitere Nachweise Burhoff, Verkehrsrecht aktuell 2007, 130 ff).“
Straf- und OWi-Verfahren kann man nicht getrennt sehen weil Verfahrensabläufe und die Gebührensystematik weitestgehend identisch sind. Im übrigen verneinen beide von Ihnen zitierten Landgerichte eine zweite Pauschale.
Die Unterschiede im Ablauf beider Verfahren sind evident. Interessant hierzu: AG Gronau, Urt. v. 13.03.2009, 12 C 7/09.
Und was bitte ist mit weistestgehender Identität in der Gebührensystematik gemeint?
Aha, kann man also nicht getrennt sehen. Jetzt erklären Sie mir doch nach dieser messerscharfen Logik mal, warum sich Bußgeld- und Strafverfahren dann bitte in unterschiedlichen Bereichen des VV RVG wiederfinden. Die Bezugnahme der BRAGO gibts nicht mehr – seit nunmehr 5 Jahren…
Mal ganz ruhig… mir ist das RVG bekannt.
Ich sage ja nicht, dass die Argumentation einer zweiten Pauschale falsch ist. Ich sage ja nur, dass man entweder für beide Verfahren eine zweite Pauschale zuerkennt oder gar keinem.
Zur Systematik:
Beide Teile des VV (4 und 5) regeln neben der Grundgebühr getrennte Verfahrensgebühren jeweils für das vorbereitende Verfahren / Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das sich anschließende gerichtliche Verfahren. Klar, dazu können Terminsgebühren und zusätzliche Gebühren anfallen. Beide Verfahrensarten trennen den Gebührenanfall; einziges Unterscheidungsmerkmal ist der Zeitpunkt, wann das Gericht ins Spiel kommt. Das System ist nahezu gleich; deshalb verweisen die Kommentare in Teil 5 auf die Kommentierung in Teil 4 (z. B. Gerold/Schmidt, RVG, VV 5115, Rz.: 2).
Argumentiert man also, dass für das „außergerichtliche“ Tätigkeitwerden eine Pauschale anfällt und sodann für das „gerichtliche“ (ich weiß, dass die Terminolgie eine andere ist), dann gilt das sowohl für das Strafverfahren, als auch für das OWi-Verfahren.
Nur, den § 17 Ziff. 1 RVG als Argumentationshilfe herhalten zu lassen, hinkt, weil die Vorschrift den § 119 BRAGO ersetzt (BT-Drucksache 15/1971, S. 191) und mitnichten etwas für Straf- oder OWi-Sachen aussagt. § 17 Ziff. 10 RVG spricht eher dafür, dass nur eine Pauschale entsteht, sonst hätte die Möglichkeit einer Ergänzung / Klarstellung genutzt werden können.
Ich bin der Meinung, man kann separate Postpauschalen nur dann berechnen, wenn separate „Betriebsgebühren“ entstehen (Beratungsgebühr, Geschäftsgebühr, Verfahrensgebühr Zivil). Diese entstehen „für das Betreiben des Geschäfts, einschließlich der Information“, Vorb. 2.3 Abs. 3 und Vorb. 3 Abs. 2 VV RVG. Und hier scheint der Hase im Pfeffer zu liegen: Ist die Grundgebühr oder die jeweilige Verfahrensgebühr die Betriebsgebühr.
Mal ehrlich: Sind die Auslagen, die durch die Postpauschale gedeckt werden sollen so groß, als dass die Gebühr zweimal zu fordern nur gerecht ist?
Es bleibt ja die Wahl, die tatsächlichen Aufwendungen abzurechnen (Nr. 7001 VV RVG).
Sicher wäre es mal angezeigt, hier was zu verändern, auch wenn die Postpauschale mit dem RVG in Straf-/OWi-Verfahren angehoben wurde. In Zivilsachen beträgt sie seit Jahr und Tag 20,00 EUR (40,00 DM).
Es geht hierbei nicht um die Frage, ob die Postauslagenpauschale gerecht ist oder ob nicht. Diese (ausnahmsweise) klare gesetzgeberische Entscheidung ist aus guten Gründen fixiert. Und wer sich den Aufwand leisten will, alle Kreuzerchen für die gesamte Post aufaddieren zu sollen, der darf das tun. Warum das in den allermeisten Fällen nicht erfolgt, liegt auf der Hand (nur Ketzer werden behaupten, weil der tatsächliche Aufwand immer unter 20,00 € liege).
Es geht hier um die Frage, ob sich die Postauslagenpauschale „verdoppeln“ darf oder ob nicht. Eine Pauschale für die außergerichtliche und eine für die gerichtliche Tätigkeit (also auch eine „Verdoppelung“), daran stört sich niemand.
Ob nun das Verwaltungsverfahren und das gerichtliche Verfahren im Anschluß daran eine oder zwei Angelegenheiten darstellt(en), das ist nun halt wegen der schwammigen gesetzlichen Regelung eine juristische Streitfrage. Deshalb tut man gut daran, nicht die eine oder die andere Meinung als „herrschend“ zu bezeichnen.
Nur eines ist klar, bis diese Rechtsfragen durch den BGH oder das BVerfG oder vielleicht den EuGH entschieden wurden, werden noch viele Gerichtsressourcen verbraucht sein, die für viel wichtigere Fragen zur Verfügung stehen sollten – und die Versicherungswirtschaft wird sich ggf. noch viele Mio. Euros erspart haben.
Ja, so sieht Marktwirtschaft aus.
Da ist Ihnen grundsätzlich recht zu geben; es gibt nun mal kaum ein Recht, das so umstritten ist, wie das Kostenrecht.
Man kann sich aber bei der Beantwortung der Frage(n) nur an das halten, was bis dato existiert: Eine OLG-Entscheidung, zwei LG-Entscheidungen (die noch falsch interpretiert wurden). Gegenteilig: AG Gronau…
Bei einer Gegenüberstellung doch etwas dünn, für die Argumentation, dass die bösen bösen Rechtsschutzversicherer Millionen einsparen wollen.
Bis dato existieren speziell für Owis
gegen zwei Angelegenheiten:
LG Hamburg (AGS 2006, 503), LG Koblenz (AGS 2006, 174), AG Lüdinghausen (Beschl. v. 15. 1. 2007 – 10 OWi 89 Js 1679/06 [140/06]), und AG München (DAR 2008, 612) sowie GEROLD/SCHMIDT/MüLLER-RABE, 18. Aufl., § 17 Rn. 60
für zwei Angelegenheiten:
AG Detmold (zfs 2007, 405), das AG Düsseldorf (VRR 2006, 399), das AG Hamburg-St.Georg (AGS 2006, 423 = JurBüro 2006, 359 = VRR 2006, 400), das AG Nauen (zfs 2007, 407) das AG Saarbrücken (RVGprofessionell 2007, 118), N.SCHNEIDER (vgl. in HANSENS/BRAUN/SCHNEIDER, a.a.O., Teil 15 Rn. 274 und in AnwKomm-RVG/N. SCHNEIDER, VV Vorb. 5.1.2 Rn. 7 und VV 7001-7002, Rn. 34 sowie in AGS 2005, 7), BURHOFF (RVG, ABC-Teil: Angelegenheiten (§§ 15 ff., Rn. 17) sowie GEROLD/SCHMIDT/BURHOFF, Einleitung VV Vorb. 5.1 VV Rn. 2).
Zudem noch das AG Gronau.
Wer hat nun Recht?
Und liege ich falsch, wenn ich meine es sind zwei Angelegnheiten?
Als Rechtsprechung für eine Auslagenpauschale wurde mir mitgeteilt:
• Müller-Rabe (Gerold/Schmidt, RVG 17. Aufl., Rdnr. 60 zu § 17 RVG; RVG 18. Aufl., § 18 Rdnr. 63 und 60 ff. m.w.N)
• Burhoff (Burhoff/Schmidt, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Rn 6 zu 7002 VV RVG m.w.N.)
• Göttlich/Mümmler, 1. Aufl. RVG, S. 703
• OLG Saarbrücken, 15.12.06, 1 Ws 249/06, AGS 2/07, S. 78
• LG Hamburg, 14.08.06, 319 S 3/06, AGS 2006, 503; JurBüro 2006, 644
• LG Hannover, 18.03.2008, 46 Qs 37/08, http://www.burhoff.de
• LG Potsdam, 16.12.2008, 24 Qs 113/08, http://www.burhoff.de
• LG Düsseldorf, 10.06.2005, XI 1 Qs 66/05, http://www.burhoff.de
• LG Köln, 01.10.2008, Rpfleger 2009, 273
• LG Koblenz, 09.05.2005, http://www.burhoff.de
• LG Magdeburg, JurBüro 2008, 85
• AG Lüdinghausen, 15.01.2007, http://www.ra-kotz.de
• AG Koblenz, AGS 2007, 141 (RVG-Letter 2007, 11; NStZ-RR 2007, 96)
• AG München, 23.05.2008, AGS 2008, 599 (DAR 2008, 612; AGS 2008, 599)
Ja, viel Spaß beim nach-hacken-