Sprachlos in Stuttgart

Die Württembergische Rechtsschutzversicherung hat an dem letzten Preisvergleich der Stiftung Warentest (Finanztest Heft 2/2005, Seite 12 ff.) nicht teilgenommen. Das Unternehmen zählt zu den dort (Seite 18) genannten „Verweigerern“.
Den Stuttgartern erschienen die eigenen Rechtsschutzprämien wohl selbst zu hoch, um sich damit einem öffentlichen Preisvergleich zu stellen.
Offenkundig hat nun in Stuttgart unternehmensintern das grosse Sparen begonnen, in der Hoffnung künftig vorzeigbare Tarife anbieten zu können und um an einem weiteren Finanztest teilnehmen und im Vergleich mit der Konkurrenz auch bestehen zu können.

Dafür ist man in Stuttgart mit schwäbischer Gründlichkeit auch den Kommunikationskosten zu Leibe gerückt: Anwaltsrechnungen werden nun kommentarlos gekürzt! Weder telefonisch, noch per Post, Telefax oder E-Mail wird eine Begründung für einbehaltene Rechnungsbeträge gegeben.
Die Schwaben von der Württembergische Rechtsschutzversicherung haben dafür vielmehr die deutschen Banken als Postboten entdeckt.

In Stuttgart-West hat man sich das so gedacht:
Was dem vom Versicherten beauftragten Anwalt mitzuteilen ist, kann (für die Württembergische) kostensparend bei der überweisung von (Teil-) Beträgen in den Verwendungszweck des überweisungsträgers aufgenommen werden. Die Grußformel am Ende der Mitteilung entfällt (aus Platzgründen).
Der Zahlungsempfänger (Anwalt) kann dann seine Kontoauszüge kopieren und diese Kopien der „Korrespondenz“ mit der Rechtsschutzversicherung zu seiner Handakte nehmen.

Das ist echt schwäbisch, nämlich: Innovativ. Wie man bei Mercedes in Stuttgart-Untertürkheim seit dem Elchtest der A-Klasse sehr wohl weiss, bei der Württembergische in Stuttgart-West aber wohl noch nicht, ist aber nicht jede Innovation auch eine Verbesserung.

Die schlauen Schwaben aus Stuttgart-West haben eines nicht bedacht:
Im Online-überweisungsverkehr bietet das überweisungsträgerformular der Banken zur Eintragung des Verwendungszweck der Zahlung weit mehr Platz (=Zeichen) als auf dem Kontoauszug des Zahlungsempfängers.
Was die Versicherung „per überweisung“ mitteilen will, erfährt der Empfänger nie. Oder nur in Bruchstücken, etwa: (Zitat) „Die Auslagenpauschale be-“ (Zitatende)

Alles klar! Oder?

In der Praxis sieht das dann so aus:
1.
In einem von mir bearbeiteten Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren (Vorwurf: Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts 28 km/h) wird die Württembergische per Telefax über die Aufnahme der Verteidigung informiert, eine Kopie des Bußgeldbescheids beigefügt.
Die Württembergische erteilt eine Woche später schriftlich Kostendeckungszusage. Danach stellte sich bei der Württembergische jedoch pure Sprachlosigkeit ein.

Nach einem ersten Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht mit Einvernahme von zwei Zeugen muss das Prozessverfahren durch das Amtsgericht ausgesetzt werden. Zur Aufklärung des Sachverhalts ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens unumgänglich.
Mit einem kurzen Bericht zum Verlauf der Hauptverhandlung wird die Württembergische zum Ausgleich der bis zu diesem Tag angefallenen Rechtsanwaltskosten gebeten.
Die Württembergische zahlt kommentarlos eine Woche später, kürzte jedoch den Rechnungsbetrag um rund ein Drittel (32 Prozent).
Nachdem das Sachverständigengutachten vorlag und neuer Verhandlungstermin anberaumt worden war, in dem der Sachverständige und wiederum zwei Zeugen vernommen werden sollten, wurde die Württembergische per Telefax auf die nur teilweise bezahlte erste Rechnung hingewiesen, zu deren vollständigen Ausgleich aufgefordert und zugleich Vorschuss auf die Rechtsanwaltskosten für den zweiten Hauptverhandlungstag angefordert.
In Absprache mit meinem Mandanten habe ich die Württembergische in Anbetracht der selbstherrlichen Kürzung der ersten Rechnung gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Fortsetzung der Verteidigung nunmehr vom Ausgleich der Rechtsanwaltskosten noch vor dem zweiten Hauptverhandlungstag abhängig gemacht werde.

Zahlung aus Stuttgart-West erfolgt binnen der gesetzten Frist, jedoch erneut nicht vollständig. Die Rechnungen bleiben in Höhe von insgesamt 23,20 € unbezahlt. Erklärungen dafür wurden wiederum nicht gegeben.
Der erfahrene Anwalt ahnt nur eines: Die Auslagenpauschale (VV 7002 RVG: 20,00 € netto + Umsatzsteuer) hat die Württembergische von der Rechnung einbehalten. Warum schweigt die Württembergische hierzu ?
Erklärungsversuche:
a) Die Sachbearbeiter wissen selbst nicht, wie sie derlei Kürzungen begründen sollen.
b) Den Sachbearbeitern bei der Württembergische ist unbekannt, dass ein Verteidiger den Inhalt der Ermittlungsakten -insbesondere darin enthaltene Gutachten- mit seinem Mandanten bespricht und das natürlich vor der Hauptverhandlung (=dem Gerichtstermin)! Den Sachbearbeitern der Württembergische ist auch unbekannt, das der Mandant zu diesem Zweck Kopien – z.B. eines solchen Gutachtens – von seinem Anwalt per Post zur Vorbereitung des Gesprächs mit seinem Verteidiger übersandt erhält, damit er den Akteninhalt selbst lesen und prüfen kann.

Da meinem Mandanten an seiner ordnungsgemässen Verteidigung auch am zweiten Hauptverhandlungstag gelegen war, sein Verteidiger allerdings nicht für Korrespondenz – noch zumal derart einseitige – mit der Rechtsschutzversicherung bezahlt wird, zahlte er den offen gebliebenen Restbetrag noch vor der Hauptverhandlung in bar an mich.

2.
Nach Abschluß des Bußgeldverfahren hat mir mein Mandant den Auftrag erteilt, diesen von ihm selbst bezahlten Restbetrag von der Württembergische beizutreiben. Auf eine vorgerichtliche Zahlungsaufforderung hat die Württembergische allerdings ebenfalls nicht reagiert und die damit gesetzte Zahlungsfrist fruchtlos verstreichen lassen.
Mein Mandant wird nun den für das Klageverfahren erforderlichen Gerichtskostenvorschuss (75,00 €) aus eigener Tasche einzahlen, damit die fleißigen Schwaben mit Hilfe der Gerichte darüber belehrt werden können, dass sie in der eigenen, nicht aber in fremden Taschen (denen Ihrer Kunden) zu sparen haben.

3.
Auf diesem Weg werden die von der Württembergische geplanten Einsparmaßnahmen allerdings nicht zur Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens und zu vorzeigbaren Tarifen für den nächsten Preisvergleich der Stiftung Warentest führen. Die Kosten des von ihr provozierten – an sich völlig überflüssigen – Rechtsstreits um das restliche Verteidigerhonorar wird die Württembergische zu tragen haben. Zudem wird die Württembergische einen Kunden verlieren, der ihr seit Jahren treu war und (bisher!)noch einige andere Versicherungen bei den Stuttgartern unterhielt.

Fazit:
Mit einer Änderung der innovativen Praxis der Württembergische ist wohl erst zu rechnen, wenn sich die Versicherten – mit Hilfe ihrer Anwälte – massenhaft gegen die kundenfeindlichen Innovationen aus Stuttgart-West zur Wehr setzten, ggf. auch von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen und zu einem anderen Anbieter wechseln.

One Response to “Sprachlos in Stuttgart”

  1. anonymisiert sagt:

    Kann es sein, daß die Württembergische keine Gerichtsverfahren scheut, da sie eine gute Rechtsschutzversicherung hat? Möglicherweise bei der Concordia???