ZPO ‚mal neu

Nun liebe ich meinen Beruf seit über 20 Jahren und die Concordia lehrt mich eine Zivilprozeßordnung, die ich bisher nicht kannte.

Ein Volljurist belehrt mich, leider ohne Angabe der Quellen seines Wissens:

Ihre Ausführungen können wir nicht als begründete Stellungnahme im Sinne der Rechtsschutzbedingungen werten. Sie weichen wesentlich von der wirklichen Sach- und Rechtslage ab. Allein das Angreifen der Beweiswürdigung ist nicht geeignet. die Berufung zu begründen.

Das Berufungsgericht darf nicht einfach eine eigene Beweiswürdigung vornehmen.

Was bisher geschah?

Wir kriegen ein erstinstanzliches Urteil mit dem Auftrag auf den Tisch, eine Deckungszusage der Concordia für das Berufungsverfahren einzuholen. Die Antwort ist oben zitiert.

  1. Woher kennt der Kollege die wirkliche Sachlage, ist er allwissend?
  2. Er kennt die wirkliche Rechtslage? Stimmte dies, er wäre selbst für eine Großkanzlei unentbehrlich. Ich wußte bisher gar nicht, daß die Concordia bei den Einstellungsgehältern mittlerweile mit den Großen spielt: Statistik Anwaltsgehälter in Großkanzleien
  3. Ohne Frage könnte eine falsche Beweiswürdigung mit der Berufung angegriffen werden.
  4. … und den Rest verkneif ich mir jetzt, denn er hat sich nur im Baustein vergriffen und Berufung und Revision verwechselt. Wie heißt es in der Alkoholwerbung: „Kann ja ‚mal vorkommen!“

Diese Antwort versteht der Versicherte nicht. Ich soll sie ihm erklären und sage ihm, er soll seine Versicherung fragen.

Es bleibt die klassische Frage des Mandanten:

Warum habe ich denn dann eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen?

9 Responses to “ZPO ‚mal neu”

  1. anonymisiert sagt:

    Nach § ZPO § 520 ZPO § 520 Absatz III 2 Nr. 3 ZPO muss die Berufungsbegründung die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte enthalten, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung in dem angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Durch diese Vorschrift wird der Berufungsführer dazu angehalten, die Gründe genau zu bezeichnen, aus denen er die erstinstanzliche Tatsachenfeststellung für unrichtig hält; es soll dadurch bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt und eine Beschränkung des Prozessstoffs im Berufungsverfahren erreicht werden.

  2. anonymisiert sagt:

    Wir sind einer Meinung! Nur hat Ihr Kommentar keinen Bezug zum Beitrag, insbesondere nicht zur vollständig wiedergegebenen Begründung des Kollegen der Versicherung.

  3. anonymisiert sagt:

    na ja:

    OLG Nürnberg 12. Zivilsenat, Beschluss vom 18.07.2012, 12 U 1821/10 führt insoweit aus:

    „Da die Berufung – abweichend von ihrer früheren Funktion als vollwertige zweite Tatsacheninstanz – nunmehr in erster Linie der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung dient, ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen grundsätzlich gebunden; eine erneute Tatsachenfeststellung ist nur als Ausnahme vorgesehen, soweit die erste Instanz die Feststellungen nicht vollständig und überzeugend getroffen hat (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Zwar können sich Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit entscheidungserheblicher Tatsachen auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertungen ergeben. Hat sich aber das Erstgericht mit den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt, ist die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich und verstößt sie nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und ist auch das Berufungsgericht von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung überzeugt, so sind die Feststellungen bindend. Eine Partei kann dann nicht in zulässiger Weise ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Erstgerichts setzen (vgl….BGHZ 162, 313).

  4. anonymisiert sagt:

    @ Dr. Mewes:

    Und wenn Sie Ihr Zitat mit meinem Zitat vergleichen? Nicht raten, was der freundliche Herr schreiben wollte, sondern bewerten, was er schrieb. Und das bleibt, sorry, Schwachsinn.

  5. anonymisiert sagt:

    @ Dr. Marc Mewes:

    Na ja, Herr Kollege,

    „Hat sich aber das Erstgericht mit den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt, ist die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich und verstößt sie nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und ist auch das Berufungsgericht von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung überzeugt“ …

    Über alle diese Hürden muss das erstinstanzliche Urteil erst einmal hinweg – und das zu verhindern, ist jetzt die Aufgabe des Kollegen Jede (und sicherlich nicht mit einem Standardsatz aus der ZPO-Lehrbuch für Anfänger abzutun).

  6. anonymisiert sagt:

    „Über alle diese Hürden muss das erstinstanzliche Urteil erst einmal hinweg “

    ja, Frage ist nur, wie hoch die Hürde denn ist.

  7. anonymisiert sagt:

    Ich wollte (und will) keine Diskussion über das Recht der Berufung lostreten. Ich habe mein Examen noch unter der Ägide der alten ZPO gemacht und diese jahrelang praktiziert. Die von mir gehasste Reform (von allen Hochschullehrern – mit einer Ausnahme- abgelehnt) habe ich miterlebt und sehe manchesmal staunend, wie unterschiedlich die OLGs und dort auch einzelne Senate die Normen handhaben.

    Darum geht es mir nicht. Die Ausführungen der Concordia sind schlicht falsch. Nicht nur in dieser Allgemeinheit ihrer Formulierung.

    Das Berufungsgericht darf nicht einfach eine eigene Beweiswürdigung vornehmen.

    Eine solche Behauptung kann man doch nicht ernst nehmen. Selbstverständlich kann das Berufungsgericht Beweis erheben und muß diesen dann würdigen.

    Es geht um viel Geld des Auftraggebers. Er ist von der 1. Instanz enttäuscht und erhält die zitierten drei Sätze zur Begründung der Ablehnung. Im Ergebnis hat der Versicherer wahrscheinlich zurecht die Deckung versagt. Er schuldet aber eine nachvollziehbare Begründung seiner Entscheidung und nicht diesen Schwachsinn.

  8. anonymisiert sagt:

    […] Praktische Erfahrungen mit den Leistungen der Rechtsschutzversicherer « ZPO ‘mal neu […]

  9. anonymisiert sagt:

    Das traurige ist ja, dass die RSV für die Deckungsanfrage schon quasi die fertige Berufungsbegründung verlangt. Natürlich ohne dafür bezahlen zu wollen.
    Dabei ist diese Deckungsprüfung nach den ARB ureigene Aufgabe des Versicherers.