Rechtsschutz gegen die Rechtsschutz?

Die Gründung eines Schutzvereins bzw. einer Rechtsschutzversicherung speziell zur Unterstützung von Versicherungsnehmern zur Durchsetzung Ihrer Ansprüche auf Gewährung von Rechtsschutz (Kollege Hoenig berichtete hier unter Verweis auf eine entsprechende Meldung auf der Seite www.versicherungsjournal.de) ist sicherlich zunächst eine gute Idee im Interesse der Mandanten. Allerdings dürfte dieses begrüßenswerte Projekt meiner Meinung nach wohl noch erheblichen Schwierigkeiten begegnen, die in der Struktur des Dreiecksverhältnisses Anwalt – Mandant/Versicherungsnehmer – Rechtsschutzversicherer und dem gesetzlichen Gebührenrecht für Anwälte begründet liegen.

Zunächst einmal kann ein Mandant natürlich nicht erwarten, dass eine Versicherung in allen Fällen des Lebens Rechtsschutz gewährt. Insbesondere Rechtsschutzfälle, auf deren Eintritt der Versicherungsnehmer Einfluss hat, bergen für jede Versicherung ein unkalkulierbares Risiko. Andererseits sind viele Rechtsschutzversicherer im Laufe der Zeit dazu übergegangen, auch alle möglichen anderen Fälle aus ihren Bedingungen zu streichen. So wird beispielsweise bei fast allen Neuverträgen Rechtsschutz gegen den Vorwurf von Halte- und Parkverstößen ebenso ausgeschlossen, wie für Ansprüche von Versicherungsnehmern im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften (z. B. Schadensersatzansprüche wegen Falschangaben in Emissionsprospekten). Die von vielen Anwälten oft gehörte Bemerkung der Mandanten, die Rechtsschutzversicherungen seien so nützlich wie Schirme, die sich in Luft auflösten, wenn es regnet, ist insoweit nicht völlig von der Hand zu weisen. Dabei ist auch noch den wenigsten Mandanten klar, dass die Rechtsschutzversicherungen unter dem Strich sehr häufig nur in Vorleistung gehen und nur dann auch endgültig Kosten tragen müssen, wenn und soweit die Mandanten keinen Kostenerstattungsanspruch gegen den Gegner haben.

Ich will ich nicht in Zweifel ziehen, dass ein grosser Teil der Ablehnungen der Anträge auf Rechtsschutzleistungen versicherungsrechtlich korrekt sein mag. Fakt scheint mir aber auch zu sein: Einen so systematischen, von einer großen Zahl von Rechtsschutzversicherungsunternehmen einheitlich vorgetragenen und zugleich so offensichtlich rechtswidrigen Angriff auf berechtigte Gebührenansprüche von Rechtsanwälten, wie nach dem Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes am 01.07.2004 (insbesondere im Hinblick auf die Mittelgebührenbestimmung) gab es bisher noch nie. Dabei wurde zum Zeitpunkt des Inkrafttretens mit mindestens ebenso gigantischem Aufwand das Klagelied über angeblich gigantische Gebührenerhöhungen für Rechtsanwälte angestimmt und die Versicherungsprämien für die Kunden erhöht, wie im Stillen die korrekte Rechtsanwendung in den Fällen verweigert wurde, wo es eigentlich tatsächlich nach dem Gesetz zu einer maßvollen Erhöhung der Gebühren kommen sollte. Hierbei möchte ich daran erinnern, dass es sich um einen Fall der Leistungsverweigerung der Versicherer gegenüber dem Verischerungsnehmer handelt. Juristisch befreit die Rechtsschutzversicherung den Mandanten von den Gebührenansprüchen des Anwalts; diesen geht das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung im Grunde zunächst nichts an. Wenn nun aber Anwälte und Mandanten vereinbaren, bei bestehendem Rechtsschutzversicherungsvertrag die Abrechnung – meist ohne Zusatzkosten für den Mandanten – direkt mit der Rechtsschutzversicherung vorzunehmen, setzen sie sich nicht nur einer deutlich höheren Haftungsgefahr aus. Sie handelten sich vielmehr gerade in letzter Zeit auch häufig noch erheblichen Ärger mit etlichen Rechtsschutzversicherern ein, die nicht oder nicht vollständig zahlen wollten.

Verweigern Rechtsschutzversicherer zu Unrecht die Deckung oder kürzen die Gebühren, so kann der Mandant hiergegen grundsätzlich wie in jedem anderen Fall einer Vertragsverletzung allein oder durch seinen Anwalt vorgehen. Es besteht dabei wegen des Prinzips der Waffengleichheit auch grundsätzlich ein Interesse des Mandanten, gegenüber dem Rechtsschutzversicherungsunternehmen anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, denn der Mandant versteht häufig die Details des Versicherungsrechts nicht. Zwar ist denkbar, dass eine nichtanwaltliche Beratung und Unterstützung des Versicherungsnehmers im Streit mit der eigenen Rechtsschutzversicherung in etlichen Einzelfällen im außergerichtlichen Bereich auch Klärung bringen kann, jedoch wird nach meiner Erfahrung häufig außergerichtliches Fordern erst dann erfolgreich sein, wenn auch die glaubwürdige Drohung mit der Deckungs- bzw. Freistellungsklage dahintersteht. Ob dies vor Einschaltung eines Anwaltes bereits der Fall ist, möchte ich bezweifeln, da wohl ein großer Teil der überhaupt außergerichtlich ohne Hinzuziehung eines Anwalts lösbaren Problemfälle wohl bereits jetzt direkt (eventuell auch aus Kulanz) oder im Wege des Schiedsmannverfahrens bzw. durch Stichentscheid gelöst wird. Unabhängig aber von der Frage, ob eine Klage gegen die Rechtsschutzversicherung notwendig wird oder nicht, bleibt ein Haken: Das Kostenproblem. Die Rechtsschutzversicherung bietet nämlich keinen Rechtsschutz bei Forderungen gegen sie selbst.Nicht schön, aber machbar, könnte man weiter denken, denn es gibt ja eventuell Prozesskostenhilfe bzw. eine mögliche Kostenerstattung des Gegners. Der Mandant kommt irgdenwann zu seinem Recht und der Anwalt verdient auch daran. Nur leider steht die Systematik des Gebührenrechts dagegen.

Es ist nämlich für den Anwalt bei sehr geringwertigen Streitigkeiten fast egal, ob der Mandant rechtsschutzversichert ist, Anspruch auf Prozesskostenhilfe hat oder auf einen späteren Erstattungsanspruch hoffen kann; die gesetzlichen Gebühren decken in jedem Fall nicht den Aufwand einer sorgfältige Bearbeitung. Bearbeitet der Anwalt solche Mandate genauso wie jedes andere, verdient er nichts bzw. zahlt sogar drauf und ist bei vielen derartigen Mandaten bald pleite. Will er das nicht, muss er den Mandanten vor die Wahl stellen, entweder mehr als die gesetzlichen Gebühren zu zahlen oder den Kampf um sein Recht mit Hilfe eines anderen Rechtsanwalts zu führen, der umsonst zu arbeiten bereit ist. Dies einem Mandanten zu sagen, der sich erkennbar im Recht befindet, fällt vielen Kollegen schwer, insbesondere wenn der Mandant erkennbar finanziell schlecht gestellt ist. An dieser misslichen Lage ändert auch überhaupt nichts, dass der Mandant eventuell einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe bzw. Kostenerstattung gegenüber dem Gegner hat, denn in beiden Fällen kann es ewig dauern, bis der Anspruch gegen die Staatskasse bzw. den Gegner durchgsetzt ist und gezahlt wird bestenfalls genausoviel, wie der Anwalt nach den unzureichenden gesetzlichen Gebühren verlangen kann. An einer Kostenbeteiligung durch den Mandanten über eine Gebührenvereinbarung führt also bei geringwertigen Streitigkeiten eigentlich kein Weg vorbei.

Streitigkeiten mit Rechtsschutzversicherern um Deckungsschutz dem Grunde bzw. die Leistung der Höhe nach sind nun typischerweise solche geringwertigen Fälle. Streitwert für den Streit mit dem Rechtsschutzversicherer (Freistellungs- bzw. Zahlungsanspruch) ist nämlich nicht der Wert des Anspruches, wegen dem man um Deckung gebeten hat, sondern lediglich der Betrag der vom Rechtsschutzversicherer zu tragenden anwaltlichen Gebühren. Da die anwaltlichen Gebühren jeweils einen gewissen Bruchteil des Streitwertes ausmachen, bekommt der Anwalt für die Durchsetzung der Ansprüche des Mandanten gegen die Rechtsschutzversicherung also nur den Bruchteil eines Bruchteils des Wertes, um den sich der eigentliche Streit dreht. Dies sind im Ergebnis sehr häufig Beträge von insgesamt weniger als 100 €. Der Aufwand, der bei einem Streit nicht nur um die Sache selbst, sondern auch noch um den Rechtsschutz hierfür zusätzlich entsteht, ist häufig nicht wesentlich geringer, als der Aufwand, der zur Auseinandersetzung im eigentlichen Streit zu betreiben ist. Dies gilt umso mehr, wenn die Rechtsschutzversicherung den Streit bis ins Gerichtsverfahren treibt, da der Aufwand hierdurch stärker steigt, als die Gebühren des mit der Auseinandersetzung befassten Anwalts.

Folge: Die Rechtsschutzversicherungen gehen ein relativ geringes wirtschaftliches Risiko ein, willkürlich rechtswidrige und (zur Reduktion interner Verwaltungskosten) möglichst sparsam begründete Gebührenkürzungen durchzusetzen, wenn sie nicht gerade auf viele engagierte Anwälte treffen, die auch mal eine Sache für den Mandanten „aus Prinzip” und bei finanziell sehr schwachen Mandanten letztlich quasi auf eigene Rechnung gegen den Versicherer durchfechten. Zum Glück gibt es diese Anwälte, sonst wäre der auch in diesem Blog erkennbare Versuch der Versicherungswirtschaft, nach der Einführung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes eigenmächtig Gebührenbestimmungen gegen den klaren Gesetzeswortlaut durchzusetzen, nicht so eindeutig vor den Gerichten gescheitert.

Aber gerade angesichts dieser Entwicklung sind Anwälte als unabhängige Berater auch absolut darauf angewiesen, dass ihre Mandanten ihnen volles Vertrauen entgegenbringen und eventuelle Probleme (gerade auch bei der Gebührenfrage) offen ansprechen. Daher meine ausdrückliche Bitte an die Rechtsschutzversicherten unter den Lesern: Verstehen Sie eine Anwaltsrechnung nicht – fragen Sie bitte nach! Der Anwalt Ihres Vertrauens wird Ihnen gern seine Abrechnung erläutern. Wenn eine Rechtsschutzversicherung eine Abrechnung des Anwaltes nicht akzeptiert, glauben Sie bitte etwaigen Argumenten in „Informationsschreiben“ Ihrer Rechtsschutzversicherung nicht, ohne auch Ihrem Anwalt die Chance gegeben zu haben, Ihnen die mitunter schwierige Gebührenproblematik eingehend zu erklären. Wenn Sie nach diesem Gespräch immer noch unsicher sind, können und sollten Sie immer noch die zuständige Aufsicht (Anwaltskammer) um kostenlose überprüfung der Abrechnung bitten.

Die Rechtsschutzversicherungen, die nur zu gern im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zur Reform des Rechtsberatungsgesetzes die Möglichkeit eigener Rechtsberatung durchsetzen würden, sind typischerweise nicht unabhängig. Rechtsschutzversicherer sind praktisch immer Teile von verflochtenen Finanzkonzernen mit vielfältigen Beziehungen und Interessenlagen. Und welche alteingesessenen Rechtsschutzversicherer unter Fortführung ihres alten Namens von welchen Konzernen gerade wieder aufgekauft wurden, erkennen manche Kollegen ohnehin zunächst an plötzlichen Mätzchen bei der Bearbeitung der Deckungsanfragen, die sich das Unternehmen bisher nie leistete, bis dann der Blick auf den geänderten Firmensitz manchmal plötzliche Erleuchtung bringt. Die der gesamten RSV-Branche in einer Vielzahl der Fälle doch fehlende Unabhängigkeit aber ist wichtige Voraussetzung für eine sachgerechte rechtliche Beratung.

Beispiel gefällig? Wenn Sie alle Personen persönlich nicht kennen würden: Vertrauen Sie bei der Auswahl einer beliebigen Versicherung für Sie eher einem unabhängigen Versicherungsmakler oder eher dem teilweise abhängigen Versicherungsmakler, welcher nur Verträge von bestimmten Versicherungsunternehmen anbietet oder eher einem Vertreter einer bestimmten Versicherung? Selbst bei ersterem müssten Sie noch darauf vertrauen, dass er ihnen nicht doch eine Versicherung anbietet, bei der er mehrAbschlussprovision kassiert.

Oder: Welcher Mandant hat nicht nach jetziger Rechtslage schon ein ganz seltsames Gefühl, wenn er in einem Verkehrsunfall geschädigt wird und erfährt, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung seines Unfallgegners doch glatt denselben Namen trägt wie die eigene Rechtsschutzversicherung und letztere bei der Gewährung der Deckung „rumzickt“ oder sich auch nur einfach ungewöhnlich lange Zeit bei der Bearbeitung der Deckungsanfrage lässt? Wie seltsam wäre das Gefühl von Otto Normalversichertem erst, wenn eben diese Rechtsschutzversicherung selbst Beratungserlaubnis hätte und, ihm dann schließlich Deckung bestätigen würde mit dem Zusatz, dass gemäß den ARB eine Beratung in der Unfallangelegenheit „durch qualifizierte und kostenlos für Sie ausgewählte unabhängige Rechtsanwälte unseres Competence-Pools“ erfolgen wird. Neudeutsche Quark-Formulierungen a la „Competence-Pool“ werden nach meiner Auffassung vor allem dann eingesetzt, wenn jemand nichts zu sagen hat oder gar etwas verschweigen will. Völlig unabhängige Rechtsanwälte, die zugleich mit bestimmten Rechtsschutzversicherern besondere Vertragsvereinbarungen abgeschlossen haben, welche eine „Mandantenversorgung“ an drastische Gebührennachlässe koppelt, gibt es ebenso wie fliegende rosa Frösche mit dichtem buschigen Schwanz: nämlich überhaupt nicht. Wer solche Verträge schließt, macht sich doppelt abhängig – wegen der „Versorgung“ und wegen des Dumpings. Vielleicht hieße es ja in der Deckungszusage auch einfach, dass die Beratung „durch qualifizierte Mitarbeiter unseres Unternehmens“ erfolgt? Das hinge wohl davon ab, für wie blöd das Versicherungsunternehmen seine Kunden hielte und ob es zwischen den wenigen großen Versicherungskonzernen noch halbwegs echten Wettbewerb um das Recht der Versicherten auf freie Anwaltswahl gäbe. Wenn nicht, würd‘ ich mich anstelle des Versicherungsnehmers jedenfalls fühlen wie ein Schwarzgeldkönig mit ’ner Einladung zum Jahresball der Steuerfahndung.

One Response to “Rechtsschutz gegen die Rechtsschutz?”

  1. anonymisiert sagt:

    […] selbst wenn der Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter ist. … Artikel lesen Auf dieser Seite finden Sie die unterschiedlichsten Informationen zu den Themen „Restschuldbefrei…afür möchten wir uns entschuldigen. [contentbox width="400" borderwidth="3" borderstyle="dotted" […]