Ein eigentlich einfacher, alltäglicher Fall in Deutschland:
Ein für 6.300 Euro verkaufter Gebrauchtwagen hält nicht das, was der Verkäufer Herr K. (auch) schriftlich versprochen hat. Im Formular-kaufvertrag vom Dezember 2013 gibt er die Laufleistung des Pkw mit „km-Stand 123.965“ an. Bei einem Werkstattaufenthalt im März 2014 stellt sich heraus: Tatsächlich war der Pkw schon im Februar 2010 insgesamt 190.733 km gefahren.
Das ist ein Mangel des Fahrzeugs, der den Käufer zum Rücktritt vom Kauf berechtigt.
Der Käufer Herr A. wendet sich an mich. Der Rücktritt wird am 30.04.2014 schriftlich erklärt, das Rücktrittsschreiben dem Verkäufer per Gerichtsvollzieher zugestellt. Der Verkäufer reagiert erst einmal nicht darauf, sondern duckt sich ganz tief in seine Erdhöhle.
Solche Ignoranten und Linksfüssler müssen immer erst zu einem gemeinsamen Tanz in den heiligen Hallen der deutschen Justiz aufgefordert werden. Auch das ist Alltag.
In diesem Fall darf der Käufer aber sogar mit einem sofortigen Aufspielen der Justizband rechnen, weil er seinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises allein anhand von drei Urkunden vollständig darlegen („schlüssig begründen“) kann:
1.) Schriftlicher Kaufvertrag mit Kilometerstand als Beschaffenheitsangabe und Kaufpreiszahlungsquittung: CHECK
2.) Nachweis der tatsächlich weit höheren Kilometerleistung durch „Fahrzeughistorie“ des Herstellers und sogar Rechnung einer Vertragswerkstatt vom 09.02.2010 mit dem damaligen (weit höheren) Kilometerstand: CHECK
3.) Rücktrittserklärung des Käufers und deren Zugang beim Verkäufer: CHECK
In solchen Fällen kann der Käufer im „URKUNDSPROZESS“ klagen und die damit verbundenen Vorteile geniessen:
Er bekommt ein schnelles Urteil („Vorbehaltsurteil“) aus dem er sofort die Zwangsvollstreckung gegen den Verkäufer betreiben kann. Dieser vom Gesetzgeber gewollte Überraschungseffekt ist für den Kläger bares Geld wert: Viel Zeit um sich abzusetzen, oder sein Vermögen zu verstecken bleibt auch dem unredlichen Beklagten in diesen Fällen nämlich nicht.
Zeugen werden im Urkundsprozess gar nicht gehört, müssen also auch nicht gefunden und vom Gericht erst geladen werden. Nur Urkunden zählen als Beweismittel. Darum kann das Gericht viel schneller terminieren und sein Urteil sprechen. Darum ist der Urkundsprozess viel schneller als ein gewöhnlicher Prozess. Zum Vergleich: In einem „normales“ Verfahren müsste der Käufer beim Landgericht Berlin derzeit mit etwa neun Monaten Wartezeit bis zum ersten Termin rechnen.
Natürlich will mein Mandant deshalb den Urkundsprozess führen.
Die ARAG weigert sich aber, dafür den erforderlichen Kostenvorschuss zu leisten und besteht auf eine „normale“ Klageerhebung. Mehrere (noch) kostenlose schriftliche Erklärungsversuche meines Büros blieben fruchtlos. Nein, die ARAG will eben einfach bestimmen, wie der Käufer zu klagen hat. Das erinnert mich stark an ein längst vergessenes
-
„…solange du die Füße unter meinen Tisch…“
Argumente dafür? Keine.
Es sei denn, man wollte den Unsinn so bezeichnen, den mir die Sachbearbeiterin G. der ARAG mit Schreiben vom 12.06. zumutet:
„Die Voraussetzungen für einen Urkundsprozess liegen nicht vor. Die im Kaufvertrag vermerkte Laufleistung kann lediglich als Indiz nicht jedoch als Beweismittel herangezogen werden. Zum Nachweis der erforderlichen Mängel ist die Erstellung eines Sachverständigengutachtens erforderlich.“
Ich hätte das gerne als Freitagswitz angesehen. Das hätte zwar zum Datum Freitag der 13. Juni. gepasst. Ich konnte aber trotzdem nicht lachen und habe dem Käufer ganz humorfrei empfohlen, nun an seinem Wohnort (§ 215 I S.1 VVG) ggf. Deckungsklage gegen die ARAG zu erheben und sich für die Zukunft einen Rechtsschutzversicherer zu suchen, der angeforderte Gerichtskosten zeitnah zur Verfügung stellt, anstatt sich – zwar gewollt aber nicht gekonnt – selbstherrlich in die Prozeßführung ihres Versicherten einzumischen und damit den wirtschaftlichen Erfolg des Verfahrens für den Kläger zu gefährden statt diesen zu ermöglichen.
Der Sachbearbeiter hat im Ergebnis aber trotzdem recht. Die tatsächliche Laufleistung können Sie mit diesen Urkunden nicht beweisen.
Das sieht nach gezielter Querulanz aus. Ich glaube, dass die ARAG gezielt gegenüber Rechtsanwälten queruliert, die nicht im Anwaltspool der ARAG, der ALLRECHT und der DEURAG sind. Irgendwie gehören die scheinbar alle zusammen. Ziel dieser Querulanz ist es dann wohl, mittelbar dafür zu sorgen, dass alle Versicherten auf ihre Pool-Anwälte gesteuert werden.
Man denke nur an die mittlerweile sagenumwobenen rechtlichen Ausführungen der legendären Sachbearbeiterin von der ARAG, Frau D.
Jeder, der schon mal mit Frau D. zu tun hat, wird nachvollziehen können, was ich meine…-)
Auf Dauer bekommt die ARAG ihre Rechnung. Diue Kunden werden sie verlassen. Meine Mandanten machen das jedenfalls nicht mit und suchen sich schon nach dem ersten Schreiben von Frau D. einen anderen Rechtsschutzversicherer
Vielleicht denken Sie nochmal in Ruhe über die Sache nach. Die Sachbearbeiterin hat Recht. Die tatsächliche Kilometerleistung des PKW lässt sich nicht mit der Rechnung als Urkunde beweisen. Die Beweiskraft der Rechnung als Privaturkunde besteht nach § 416 ZPO nur darin, dass der Aussteller erklärt hat, der PKW habe zum Zeitpunkt der Reparatur die dort angegebene Laufleistung gehabt. Die tatsächliche Laufleistung wird dadurch nicht bewiesen. Dies lässt sich nur über die Vernehmung des Werkstattmitarbeiters als Zeugen beweisen, welchen Kilometerstand er abgelesen hat. Und natürlich ein Sachverständigengutachten.
Die genaue tatsächliche Laufleistung interessiert doch keine Sau… Der Punkt ist doch, dass das KFz mit „Laufleistung 123.xxx km“ verkauft wurde, und nachweislich schon drei Jahre vorher mehr als 190.000 km gelaufen war…
Daraus könnte man allerdings noch einen Betrug ableiten…
@Ingo – „Vernehmung des Werkstattmitarbeiters als Zeugen beweisen, welchen Kilometerstand er abgelesen hat.“
Den Menschen zeigen Sie mir, der sich nach 4 Jahren daran erinnern kann, welchen KM-Stand er damals von einem AUto abgelesen und auf den Werkstattbogen geschrieben hat.
_Muß_ man Jurist sein, um solchen Blödsinn zu verzapfen oder hilft es nur dabei?
„Und natürlich ein Sachverständigengutachten.“ Ja. Das einem je nach EInsatzbedingungen des KFz bestenfalls ein geschätztes Ergebnis +- 20000 km liefern kann. was sollte das hier ändern?
Die Rechnung einer Vertragswerkstatt wird als Nachweis einer weit höheren Kilometerleistung evtl. tatsächlich nicht ausreichen, anderes könnte ggf. für die „Fahrzeughistorie“ gelten (wenn diese entsprechende Daten enthält). Zudem sind in halbwegs modernen Autos an einigen Stellen (u.a. Fehlerspeicher) Kilometerstände gespeichert, die sich auch ausdrucken lassen => Formgerechte Urkunde.
ABER: Das sind eher Kleinigkeiten, die sich beheben lassen. Berechtigt das die ARAG, dem Kollegen die Prozessart vorzuschreiben? Doch wohl eher nicht. Zudem: Wenn das Gericht Probleme in der Beweisführung per Urkunde sehen sollte, kann der Kollege dann immer noch abstehen und flugs ins normale Verfahren umsteigen. Ein Prozessverlust droht hier also nicht.
Hintergrund ist offensichtlich eher, dass im Urkundenverfahren Verfahrensgebühr und Terminsgebühr doppelt anfallen (können) – und dieses Kostenrisiko scheut ARAG natürlich.
Frau Ass. D.?
Die allseits bekannte Frau Ass. D.?
Urkunden sind verkörperte menschliche Gedankenerklärungen. Technische Aufzeichnungen, egal ob ausdruckbar oder nicht, sind deshalb keine Urkunden iSv §§ 415 ff., 592 ff. ZPO.
Dass der Fehler durch Abstehen vom Urkundenprozess kostenneutral heilbar wäre, macht das Ganze noch nicht zum aussichtsreichen prozessualen Vorgehen. Ob der Anwalt das auch (rechtzeitig) macht, läge überdies außerhalb des Einflusses der RSV.
@Gast:
Wieder falsch, auch „Ablichtungen … sowie Ausdrucke technischer Daten“, s. Zöller-Greger § 592 Rn. 15.
Noch was zur Verteidigung der ARAG vorzubringen?
Wo ist das Problem?
Wenn das Gericht die Urkunden für nicht ausreichend erachtet, wird es darauf hinweisen. Dann kann der Kläger immer noch in einen normalen Prozeß wechseln…
@ RA Melchior: Lesen bzw. zitieren müssen Sie schon richtig – bei Zöller steht „Ausdrucke technischer Dateien“ (nicht: Daten). Damit sind menschliche Gedankenerklärungen gemeint, die in PC-Dateien aufgezeichnet waren, nicht technische Aufzeichnungen als solche.