Rechtsanwalt Joachim Drinhaus aus Sulzbach (Taunus) berichtet über eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der Advocard. Wir geben seine eMail hier ungekürzt wieder:
Sehr geehrte Redaktion,
in meinem Beitrag vom 26.02.2007 habe ich über die Praktik der AdvoCard im Umgang mit der Quotenregel in § 5 Abs. 3 a ARB 94/2000 negativ berichtet. Inzwischen konnte ich bei einem der im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Gerichte ein rechtskräftiges Urteil gegen die Rechtsauffassung der AdvoCard erreichen. Danach kommt das Gericht zu der Auffassung, dass bei einer außergerichtlichen Erledigung einer Angelegenheit, in der die Parteien die Kostenfrage nicht zu Gegenstand des Streites gemacht hatten und auch kein Kostenerstattungsanspruch gegen den Gegner besteht, die AdvoCard sich nicht darauf berufen kann, die Anwaltskosten nicht zu übernehmen.
Hier die ausführliche Information:
Das Problem:
Die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (§ 2 Abs. 3 a ARB 75 bzw. § 5 Abs. 3 b ARB 94/2000-2008) bestimmen, dass ein Rechtsschutzversicherer im Falle einer „gütlichen“ bzw. „einverständlichen Erledigung“ oder „Einigung“ solche Anwaltsgebühren und sonstige Kosten nicht tragen muss, die nicht dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen entsprechen. Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung wird bei einer Beendigung des Rechtsstreits durch einen Vergleich von den Parteien zumeist vereinbart, wie die Kosten aufgeteilt werden. Dabei wird regelmäßig diese Quote berücksichtigt. Wer z.B. seinen Anspruch zu 2/3 durchsetzen kann, wird vom Gegner erwarten können, dass dieser auch 2/3 der Verfahrenskosten trägt. Insbesondere die rechtsschutzversicherte Partei wird darauf achten, weil sie auf Grund der o.g. Klausel keine höhere Kostenerstattung von der Versicherung erwarten kann.
Gleiches gilt sinngemäß auch außerhalb eines gerichtlichen Streits und bereitet ebenfalls keine Schwierigkeiten, wenn die Bevollmächtigten der Parteien diese Klausel im Falle einer Einigung beachten und einer Regelung über die Kostentragung zugrunde legen. Es ist unstrittig, dass die Klausel auch hier anwendbar ist.
Schwierig kann es jedoch werden, wenn man als rechtsschutzversicherter Anspruchsteller seine Forderung außergerichtlich voll durchsetzen kann. Das betrifft insbesondere die Situation, dass die Gegenseite ihren Fehler einsieht und sich entschließt, der Forderung zu entsprechen, zugleich jedoch
keine Rechtsgrundlage vorhanden oder kein Sachverhalt gegeben ist, nach denen man als „Gewinner“ auch noch die Kosten der Rechtsdurchsetzung (also die Anwaltskosten) von der Gegenseite erstattet bekommen muss (sog.“materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch“).
Der Fall:
Nach einem Immobilienkauf entdeckten die Käufer versteckte Mängel in Form von gesundheitsgefährdenden Baustoffen im Haus, deren Existenz vor dem Kauf nicht bekannt war. Eine der finanzierenden Banken bekam hinsichtlich des Wertes der Immobilie Bedenken, ging von der Notwendigkeit einer Neubewertung der Immobilie als Sicherheit für das Darlehen aus und zahlte den Darlehensbetrag zum Fälligkeitstermin nicht aus. Der Anwalt der Käufer hatte zur Durchsetzung des Anspruchs auf Zahlung aus dem Darlehensvertrag Kostendeckung bei der Rechtsschutzversicherung eingeholt. Diese wurde “ unter dem üblichen Hinweis der Beschränkung auf die Rechte, Pflichten und Bedingungen aus dem Rechtsschutzvertrag und den ARB “ erteilt. Dazu hatte der Versicherung der gesamte Vorgang zur Beurteilung vorgelegen. Der Anwalt der Käufer konnte nun bei der finanzierenden Bank erreichen, dass die Auszahlung des Kaufpreises in vollem Umfange und zeitnah erfolgte. Einen gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch auf Ersatz seiner Kosten durch die Bank gab es nicht. Der Anwalt rechnete die gesetzlichen Gebühren gegenüber der Rechtsschutzversicherung ab.
Nun sollte man als Versicherter annehmen, dass die Rechtsschutzversicherung “ insbesondere „Anwalts Liebling“ – diese Kosten zahlt, denn schließlich ist man zu dem Zweck versichert, mit Hilfe eines Anwalts etwaige Rechte wie geschehen durchsetzen.
Die Versicherungsauffassung:
Die Rechtsschutzversicherung sah dieses aber ganz anders. Sie berief sich auf die o.g. Klausel und sah in dem für ihren Versicherungsnehmer absolut positiven Ausgang der Sache ohne Gerichtsverfahren eine „einvernehmliche Erledigung“ im Sinne der o.g. Klausel. Das Ergebnis: Die Versicherung unterstellte, dass dieses auch für ein hundertprozentiges Obsiegen gilt. Daraus folgerte sie also, dass sie auch nur im Rahmen der Quotenregelung zur Kostenerstattung verpflichtet ist, d.h. überhaupt nicht: Wenn die Gegenseite zu 100 % verliert, soll sie auch die Kosten des Versicherungsnehmers übernehmen. Dass es schon anhand der juristischen Technik der grammatischen Auslegung sprachlich nur schwer zu fassen ist, bei einem Gewinnen von einer „einverständlichen Erledigung“ auszugehen, interessiert die Versicherung nicht, kann sie doch mit einigen Gerichtsurteilen nachweisen, dass auch Richter sich über diese Klippe hinwegsetzen und einen Sieg als „einverständliche Erledigung“ feiern. Weiterhin argumentiert die Versicherung, dass der Gegner in jedem Falle verpflichtet ist, die Kosten zu übernehmen, wenn er verloren hat. (Oder vielleicht sollte man besser sagen, wenn er sich darauf gütlich geeinigt hat, die Forderung doch zu erfüllen). Allerdings gibt es auch wie im vorliegenden Fall Konstellationen, in der es einen solchen Anspruch nicht gibt. Es bleibt nur die Klage gegen die Rechtsschutzversicherung auf Erstattung der Anwaltsgebühren und etwaiger sonstiger Kosten. Hierbei müssen der Versicherungsnehmer und sein Anwalt beachten, dass die bisher dazu entwickelte Rechtsprechung ein „Nord-Süd-Gefälle“ aufweist. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die norddeutschen Gerichte hunderte Kilometer um den Sitz der Gesellschaft herum der Versicherungsauffassung zuneigen und dem betroffenen Versicherungsnehmer keine Erstattung durch die Versicherung zubilligen. Etwa südlich des Weißwurstäquators kann es besser werden, mit einigen Ausnahmen. Hier gibt es eine höhere Chance, ein Urteil mit gesundem Menschenverstand zu erhalten.
Das Ergebnis:
Das Amtsgericht Königstein im Taunus hat in einem inzwischen rechtskräftigen Urteil die Versicherung zur Erstattung der seitens des Versicherungsnehmers aufgewandten Anwaltsgebühren verurteilt (Az. 26 C 950/07 (16) vom 19.02.2008.
Zu der vorliegenden Konstellation und zur Auslegung der Klausel führt das Gericht aus:
„… Wäre die Auseinandersetzung zwischen den ursprünglichen Parteien bereits rechtshängig gewesen, hätte der Versicherungsnehmer vollständig obsiegt und dem Versicherer wären keine Kosten entstanden. Ist der Rechtsstreit aber noch nicht anhängig oder rechtshängig gewesen, sondern leistet der Gegner aufgrund seines außergerichtlichen anwaltlichen Schreibens, würde zugleich ein einseitiges vollständiges Nachgeben vorliegen und damit ein Ausschluss der Leistungspflicht des Versicherers… Im Ergebnis hätte dann der Versicherungsnehmer die Rechtsverfolgungskosten selbst zu übernehmen, was jedoch im Sinne § 1 ARB 94 nicht sein kann, denn der Versicherungsnehmer soll gerade von solchen Kosten freigestellt werden, die ihn durch die Wahrnehmung seiner Interessen entstehen…. Nach Auffassung des Gerichts ist der Regelung des § 5 Abs. 3 b ARB 94 der von der Beklagten interpretierte Inhalt nicht zu entnehmen, weil ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung nicht darauf schließen würde, dass die Versicherung seine Anwaltskosten nicht übernimmt, obwohl er mit seinen Ansprüchen vollständig beim Gegner durchgedrungen ist und er zudem eine Deckungszusage erhalten hat…. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift sollen durch diese Regelung „unnötige“ Kostenzugeständnisse des Versicherungsnehmers vermieden werden (OLG Hamm, VersR 1999, 1276). Insofern lässt sich eine Anwendung der Klausel lediglich in den Fällen rechtfertigen, in denen der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten die Versichertengemeinschaft beeinträchtigt hat und durch die freiwillige übernahme von Kosten den Gegner zu Zugeständnissen hinsichtlich der Hauptsache beeinflusst hat. Da der Kläger zu 1.) jedoch kein Kostenzugeständnis hinsichtlich seines früheren Vertragspartners .. gemacht hat, wurde die Interessenslage des Rechtsschutzversicherers auch nicht verschlechtert, so dass kein Grund zur Leistungseinschränkung ersichtlich ist… Vielmehr ist dem Wortlaut der Klausel nach anzunehmen, dass lediglich die Erledigung von der Klausel erfasst sein soll, im Zuge derer die Kontrahenten sich nur einigen mit dem Ziel, in der Streitsache auf der einen Seite mehr zu erreichen und als Ausgleich dafür die Kosten zu übernehmen (LG Aachen Urteil vom 04.05.2006 Aktenzeichen 6 S 4/06). Kommt es aber zwischen den Streitenden gar nicht zum Kontakt, sondern zu einem einseitigen nicht abgesprochenen Nachgeben, so ist auch dieser Sinn der Vorschrift nicht betroffen, denn eine einverständliche Erledigung setzt eine zweiseitige Absprache voraus, die vorliegend nicht gegeben war. Die Beklagte kann sich daher nicht auf den Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 3b ARB 94 berufen.“
Die Versicherung legte kein Rechtsmittel ein, zahlte die Gebühren der Ausgangssache und die erstattungsfähigen Kosten des gegen sie geführten Rechtsstreits.
Mit diesem Urteil haben die derart betroffenen Versicherungsnehmer nun neue Chancen im Streit um diese Versicherungsklausel. Zur Vertiefung der Problematik sei dem interessierten Leser ein Beitrag zu diesem Thema von Dr. Frank Markus Döring in der Zeitschrift Versicherungsrecht (VersR), Jahrgang 2007, S. 770-773 empfohlen.
Es ist auch für die Versicherten sicher prächtig zu erfahren, dass die Versicherung die Gelder lieber gegen als für den Kunden ausgibt, aber dieser wird dann vielleicht in einem vergleichbaren Fall ohne klagenden Kunden wieder hereingeholt. ;-(
Komisch, sonst kassiert die HDI doch immer die Urteile 😉
Ein rechtskräftiges Urteil gegen die Advocard bedeutet nicht, dass dieser RSV daraus lernt oder sachgemäße Konsequenzen zieht.
Im Gegenteil, rund 1 Jahr danach verweigert die Advocard aktuell bei vergleichbarer Fallkonstallation – vollständiges außergerichtliches Obsiegen ohne Einigung – die Kostenerstattung trotz Deckungszusage.
Fazit: Der VN Klage auf Freistellung gegen die Advocard anheimstellen mit dem gutgemeinten Rat, via Sonderkündigungsrecht zu einem seriösen Anbieter zu wechseln.
Schmerzempfindlich machen nur abwandernde Beitragszahler.
Die rechtskräftige Verurteilung der Advocard zur Zahlung bedeutet nicht, dass dieser RSV daraus gelernt und sachgerechte Konsequenzen für die Regulierung gezogen hat.
Ein Jahr nach dem o.g. Urteil verweigert die Advocard in einem ähnlich gelagerten Fall – vollständiges, außergerichtliches Obsiegen ohne Einigung – willkürlich die Zahlung der Anwaltskosten trotz Deckungszusage.
Fazit: Der VN anheimstellen, die Advocard auf Freistellung, bzw. Zahlung der Anwaltskosten zu verklagen. Und die nachdrückliche Empfehlung, via Sonderkündigungsrecht wg. vertragsverletzender Zahlungsverweigerung sofort zu einem seriös regulierenden RSV zu wechseln.
Schmerzhaft ist nur das Abwandern unzufriedener Beitragszahler.
Meine Mandantin hat von der Advocard aktuell eine Regulierungsablehnung betreffrend restliche Gebühren in Höhe von rund 1.600,00 € erhalten und zwar trotz vorangegangener Erteilung der unbegrenzten Deckungszusage zur Abwehr einer Forderung in Höhe von 40.000,00 €.
Sie soll sogar die nach Auffassung des Versicherers angeblich überzahlten 430,00 € zurückzahlen.
Sie hat sich mit ihrem nicht anwaltlich vertretenen Ex-Ehemann nach Einholung eines Verkehrswertgutachtens entsprechend dem notatiellen Ehevertrag auf die Bezahlung von (lediglich) 13.000,00 € und die Teilung des Sachverständigenhonarars geeinigt, ohne eine Kostenregelung zu treffen, anstatt die vom Gegener ursprünglich geforderten 40.000,00 € zu akzeptieren.
Sie hat durch den Vergleich weder auf einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch verzichtet noch hat sie durch ein Kostenzugeständnis ein Entgegnkommen in der Hauptsache erreicht.
Auch bei einem Prozeßvergleich wären die Kosten gem. § 92 Abs. 1 Alt.2 ZPO gegeneinander aufzuheben gewesen, weil sonst die sparsame Partei bestraft würde (Zöller, Zivilprozeßordnung, 25. Auflage, § 92 Rn 1 und: Fischer DRiZ 93,317).
Leider vertritt das LG Hamburg, Rechtspfleger 92, 317, eine andere Auffassung und die AdvoCard verfügt weder über eine Berliner Niederlassung noch hatsie hat in Berlin einen Agenten, der freiwillig seine Wohnanschrift preisgibt, so dass trotz § 8 AKB als Gerichtsstand wohl nur Hamburg in Betacht kommt.
Die Mandantin wird die ANgelegneheit höchstinstanzlich klären lassen.
MfG RA Sch.