Die ARAG sorgt nicht nur für Ärger und Verdruss, wenn sie ihrem Versicherungsnehmer die angemessenen Anwalts-Vergütungen erstatten soll. Vermehrt mischt sie sich auch in das Mandatsverhältnis ein uns erteilt dem Rechtsanwalt des Versicherungsnehmers konkrete Anweisungen, was er zu hat und wie er es zu tun hat.
Wir haben hier bereits unter dem Titel „Das Schmerzensgeld bei der ARAG“ diese Übergriffe des Versicherers in das Mandatsverhältnis berichtet. Ohne Kenntnis jenes Beitrags berichtet nun der Hamburger Rechtsanwalt Joachim Breu über eine Unverschämtheit dieses Versicherers. Rechtsanwalt Breu ist Fachanwalt für Strafrecht und hat unangefochtenen Expertenstatus, u.a. wenn es Opfer- / Verletztenrecht und wenn es um die Schmerzensgeldansprüche seiner Mandanten geht.
Und noch eine Besonderheit bringt der Kollege Breu mit, darüber informiert er die Leser gleich zu Beginn seines Berichts:
Ich bin Partneranwalt der ARAG. Das hat eher historische als wirtschaftliche Gründe. Ich meine aber, dass der durchschnittliche Versicherte erfahren sollte, wenn seine (!) Versicherung versucht, seine Interessen zu torpedieren. Das Berufsrecht (und meine Ehre!) verpflichten mich, den für den Mandanten sichersten Weg zum Klageerfolg zu wählen. Die ARAG meint dagegen wohl, ich hätte stets den kostensparendsten einzuschlagen, koste es den Versicherungsnehmer auch prozessuale Rechte und Chancen.
So vertrat sie es angesichts folgenden Sachverhaltes:
Mandantin geriet unter einen Bauzaun, den ein Hamburger Lüftchen umwehte, als sie auf dem Fußweg daneben entlang ging. Sie erlitt kaum sichtbare Prellungen und – wie sich erst später zeigte – eine nachhaltige Nervenreizung oder -schädigung. Zunächst konnten die Mediziner organisch nichts feststellen, denn bei einer Bagatell-Verletzung wie einem oberflächlichen blauen Fleck erlaubt es die gesetzliche Krankenversicherung nicht, die volle Diagnostik abzufeuern (nicht notwendig nach SGB V). Weil Ihre Beschwerden, d.h. fehlende Belastbarkeit eines Armes, unter Physiotherapie und Analgetika nicht verschwanden, schob man sie in die Röhre (MRT) und fand einen potenziell traumatisch verengten Nervenkanal, der als potenzielle organische Ursache durchaus taugt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie über sechs Monate hinweg Physiotherapie erhalten, Schmerzmittel genommen, und ihren Nebenjob deutlich einschränken müssen.
Auf erste Anfrage – der Schadenmeldung – erteilte die RSV Kostenzusage „für die außergerichtliche Tätigkeit dem Grunde nach“, dabei hatte ich bei der Anfrage eine Größenordnung von bis 1.500,- € benannt. (ARAG20150808.PDF) Da blickte die Mandantin auf eine 14-tägige Arbeitsunfähigkeit zurück und hatte mit Physiotherapie angefangen. Immerhin – die danach bezifferte Vorschussrechnung wurde ausgeglichen.
Nachdem ich dank Einsicht in Bauakten und in das von mir eingeleitete Strafverfahren endlich sicher sein konnte, wer nun wirklich für diesen wackeligen Zaun einzustehen hatte, entwarf ich eine bezifferte Klage und beantragte auch dafür Deckung; zugleich rechnete ich über den nun beendeten vorgerichtlichen Teil zum Wert von 3.500,- € ab. Die Antwort darauf (ARAG20151008.PDF) lautete:
„Unter Hinweis auf die Kostenminderungsobliegenheiten unseres Versicherungsnehmers bitten wir Sie, einen unbezifferten Schmerzensgeldantrag zu stellen.“
Meine Kostenrechnung wurde bezahlt, und ich hielt das widersprechende Anschreiben der Versicherung alternativ für einen Scherz oder für einen Fehler bei der Textbausteinwahl. Wollten mir die Düsseldoofen angesichts eines Klageentwurfes mit dem Antrag „(…) ein angemessenes Schmerzensgeld, jedoch nicht unter 3.500,- € (…)“ und der Kostenrechnung jetzt etwa noch vorschreiben, den Unterbetrag komplett zu streichen? Nun – Fehler können ja passieren. Gleichwohl blieb die nachfolgende Vorschussrechnung für die Einleitung des Gerichtsverfahrens (Gebühren Nr. 3100 VV RVG, Gerichtskosten zum Wert von 3.500,- € i.H.v. 381,- €) erst einmal offen.
Ich wies drei Wochen später mit der Endfassung des Entwurfs darauf hin, dass es eine durchaus beachtliche Rechtsprechung gibt, die Klaganträge OHNE UNTERGRENZE für unzulässig hält. Darauf fand man am Rhein die Antwort (ARAG20151124.pdf):
„Es ist durchaus zulässig, Im Antrag keinen Betrag zu nennen. Ein Mindestbetrag kann später bei der Begründung angegeben werden.“
Natürlich wusste ich schon, dass ein völlig grenzenloser Antrag nicht als unzulässig abgeschmettert wird – wenn gleichzeitig zumindest Wertfestsetzung begehrt wird. Nur provoziert das in der Praxis den Richter dazu – darauf weisen alle mir erreichbaren Schmerzensgeld-Handbücher hin – vor der mdl. Verhandlung und Beweisaufnahme erst einmal auf ca. 600,- € zu erkennen.
In einem solchen, vereinfachten Verfahren nach § 495 ZPO ist allerdings die erste Instanz zugleich die letzte. Das Gericht darf nach Gutdünken verfahren und kann nicht einmal in eine Beweisaufnahme gezwungen werden. Also erfreute ich die Assessorin mit einem handschriftlichen Kommentar auf ihrem Fax, verweisend auf meine vorangegangenen (bezahlten) Rechnungen, die vom Wert der im Entwurf benannten Untergrenze ausgingen, und fügte Auszüge aus ZPO-Kommentaren bei. Das erzeugte die verschnupft klingende Rückantwort (ARAG20151125.pdf):
„… teilen wir erneut mit, dass wir Ihre Rechtsauffassung nicht teilen. Wir verweisen vollumfänglich auf diese. Bei unseren Zahlungen handelt es sich lediglich um Vorschüsse. Wir gehen davon aus das der Klageantrag unbeziffert gestellt wird.“
Nun – ich hatte die Klage wie entworfen und der Versicherung im Oktober vorgelegt nach Zustimmung der Mandantin beim Gericht eingereicht. Denn zur Partnervereinbarung gehört (wenigstens das!) die Zusicherung, Kostenrechnungen des Anwalts unverzüglich zu begleichen. Dass darüber doch mal ein, zwei Wochen ins Land gehen wie hier, ließ mich daher noch nicht besorgen, dass die ARAG ihr Konto vernagelt.
Inzwischen lag die Gerichtskostenrechnung vor, denn anders als sonst hatte ich von der RSV noch keine Vorschüsse erhalten und folglich auch nichts einbezahlt. Als ich die nun nach Düsseldorf schickte, floss endlich trotz der verschnupften Faxe auch der Rest und die Klage wird in Kürze rechtshängig.
Der Mandantin habe ich vorsorglich die Kontaktdaten des Ombudsmannes genannt und bin ehrlich gespannt, ob sie etwas unternehmen musste oder unternehmen wird. Warten wir also, ob die ARAG einen Regress bei der Versicherungsnehmerin versucht – ich würde ihr schärfstens davon abraten.
Auch wenn „in den Hochglanzbroschüren von umfassendem Schutz die Rede ist, während aus den nachfolgenden Versicherungsbedingungen der reine Geiz spricht“ – Kostenminderung umfasst m.E. nicht die Pflicht, um jeden Preis zu sparen. Gegen eine Teildeckung – z.B. Untergrenze wäre auf 2.000,- € fest zu legen – hätte ich hier wohl wenig einwenden können. So wie ihr das hier vertreten habt, liebe ARAG, geht es nicht.
Die ARAG verlangt also allen Ernstes und wiederholt von den Rechtsanwälten ihrer Versicherungsnehmer ein riskantes Verhalten, das weder gerechtfertigt, noch notwendig ist. Im übelsten Falle führt das zu massiven Schäden, die dem Versicherungsnehmer entstehen und für die dann am Ende der Rechtsanwalt einzustehen und zu haften hat. Das Regulierungsverhalten der ARAG rechtfertigt nur eines: Kündigung des Vertrags und Neueindeckung bei einem seriösen Versicherer.