Archive for Februar, 2007

Regulierungsverhalten der Rechtschutzversicherer im Arbeitsrecht

Donnerstag, Februar 1st, 2007

Insbesondere im Arbeitsrecht tätige Kollegen werden bemerkt haben, dass Rechtsschutzversicherer in Kündigungssachen neuerdings grundsätzlich Rechtsschutz für die aussergerichtliche Tätigkeit des beauftragten Anwalts verweigern.

Eine derartige Praxis widerspricht der eindeutigen Rechtsprechung seit Einführung des RVG.

Zur Argumentationshilfe gebe ich interessierten Kollegen gern die nachfolgenden Urteile bekannt:

  • BGH Urteil vom 01.10.1968 VI ZR 159 / 67 AnwBl 1969, 15;
  • Urteil des Amtsgerichts Essen – Steele JurBüro 2005, 585; AGS 2005, 468 sowie R+S 2006, 70 mit Anmerkung von RA J. Cornelius “ Winkler;
  • Urteil des AG Cham vom 22.12.2005 “ 1 C 0323 / 05 AnwBl 2006, 287;
  • Urteil des Amtsgerichts Hamburg “ St. Georg vom 10.02.2006 “ JurBüro 2006, 309 “ mit Anmerkung RA P.Kitzmann;
  • Urteil des Amtsgerichts Velbert vom 08.09.2006 “ 12 C 144 / 05 “ AnwBl 2006, 770;
  • Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 14.09.2005 “ 93 C 2931 / 05 “ 40 JurBüro 2007, Heft 3 demnächst

Der Leitsatz des bereits aus dem Jahr 1968 stammenden BGH-Urteils lautet:

Ein Geschädigter, der seinen Anwalt zunächst mit der aussergerichtlichen Schadensregulierung beauftragt, verstösst dadurch nicht gegen seine Schadensminderungspflicht

Der Leitsatz des ausgezeichnet begründeten Urteils des AG Essen-Steele lautet:

Ein Versicherungsnehmer verstösst nicht gegen seine Obliegenheit, alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung von Kosten verursachen könnte, wenn er in einer Kündigungsschutzsache seinem Anwalt nicht sofort Prozessauftrag erteilt, sondern ihn zunächst mit der aussergerichtlichen Vertretung beauftragt.

Der Leitsatz des überzeugend begründeten Urteils des AG Cham lautet:

1. Der Rechtsanwalt, der vor Erhebung einer Kündigungsschutzklage erst aussergerichtlich tätig wird und eine Einigung mit dem Gegner sucht, handelt auch dann sachgerecht, wenn er dies erst wenige Tage vor Ablauf der Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage unternimmt.

2. Eine Rechtsschutzversicherung ist verpflichtet, auch für die aussergerichtliche Interessenwahrnehmung im Rahmen einer Bestandsschutzstreitigkeit Deckung zu gewähren, weil der Gesetzgeber dem Versuch der gütlichen und aussergerichtlichen Streitbeilegung Vorrang einräumt

Der Leitsatz des Urteils des Amtsgerichts Hamburg – St. Georg, das “ soweit aus der bisher vorliegenden Rechtsprechung ersichtlich “ erstmalig auf die ARB abstellt, lautet:

1. Ein Versicherungsnehmer darf davon ausgehen, dass der arbeitsrechtliche Versicherungsschutz nicht auf die gerichtliche Auseinandersetzung beschränkt ist.

2. Für die aussergerichtliche Tätigkeit in einer Kündigungsschutzsache ist eine Geschäftsgebühr in Höhe von 2,5 angemessen

3. Die Geschäftsgebühr für eine aussergerichtliche Tätigkeit in einer Kündigungsschutzsache ist auf eine gemäss Nr. 3101 Ziffer 1 VV RVG zusätzlich entstandene verkürzte Verfahrensgebühr wegen Fehlens eines gerichtlichen Verfahrens nicht anzurechnen.

Der Leitsatz des Urteils des AG Velbert lautet:

Der Rechtsschutzversicherte verliert seinen Befreiungsanspruch gegenüber seiner Rechtsschutzversicherung nicht, wenn er in einer Kündigungsschutzsache seinem Anwalt zunächst einen aussergerichtlichen Auftrag erteilt, sofern es sich um eine vernünftige Gestaltungsvariante handelt.

Der Leitsatz des Urteils des AG Wiesbaden lautet:

Ein Versicherungsnehmer, der seinem Anwalt in einer Kündigungsschutzsache zunächst einen unbedingten Auftrag für den Versuch einer vorgerichtlichen Einigung und gleichzeitig “ für den Fall des Misserfolgs “ einen bedingten Auftrag zur Erhebung einer Klage auf Feststellung des Fortbestehens des gekündigten Arbeitsverhältnisses erteilt, verstößt dadurch nicht gegen seine Schadensminderungspflicht.

Der Rechtsschutzversicherer ist verpflichtet, den Versicherungsnehmer von der auf diese Weise entstandenen Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit seines Anwalts freizustellen.

„BGB – leichtgemacht“ für die HUK-Coburg

Donnerstag, Februar 1st, 2007

Den im Titel genannten Leitfaden für das dünne Brett werden wir den Schadenssachbearbeitern der HUK-Coburg in seiner neuesten Auflage zukommen lassen. Folgender einfacher Sachverhalt:

Das geparkte Kfz unserer Mandantin wird beim Ausparken durch ein andere Fahrzeug beschädigt. Das schädigende Fahrzeug begeht Unfallflucht. Zeugen, die den Vorfall gesehen haben, notieren sich das Kennzeichen, den Fahrzeugtyp und eine Beschreibung der Fahrerin und teilen dies unserer Mandantin mit.

über das Schadensnetz des GDV ermitteln wir sofort die haftende Versicherung und schreiben diese an. Gleichzeitig erbitten wir Deckungsschutz bei der HUK-COburg unter Beifügug des Anspruchschreibens an die gegnerische Versicherung. An sich eine Formsache.

Dann aber das Schreiben der HUK-Coburg-Rechtsschutzversicherung:

„für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegenüber dem Täter können wir im Rahmen der ARB Rechtsschutz nur bestätigen, soweit hierfür hinreichende Erfolgsaussichten bestehen. Erfolgsaussichten lassen sich u. E. aber frühestens ab dem Zeitpunkt bejahen, ab dem der Täter bekannt ist. Nach den bisherigen Informationen müssen wir davon ausgehen, dass die Person des Täters noch unbekannt ist mit der Folge, dass gegenwärtig keine Möglichkeit besteht, Schadenersatzansprüche gegen irgend jemanden geltend zu machen.“

Deckungsschutz abgelehnt!

Nachdem das erste ungläubige Erstaunen sich bei uns gelegt hatte, antworteten wir:

„wir beziehen uns auf Ihr Schreiben vom 30.1.07, über das wir doch etwas verwundert sind.
Offensichtlich sind Ihnen die Regelungen der §§ 7 I, 18 StVG und 3 PflichtVersG nicht bekannt, denn sonst wüßten Sie, daß eine Haftung des Fahrzeughalters und der Versicherung unabhängig davon gegeben ist, ob der Fahrer ermittelt wird.
Das Unfallereignis ist durch Zeugen beobachtet und festgehalten worden.
Wir gehen davon aus, daß sie nunmehr Deckungsschutz erteilen werden und Sie es nicht auf einen Stichentscheid ankommen lassen werden. Die Vorlage beim rechtskundigeren Gruppenleiter wird angeregt.“

Es bleibt abzuwarten, ob dies ein Einzelfall einer eventuell etwas verwirrten Sachbearbeiterin war oder aber die HUK künftig ihren vertraglichen Verpflichtungen nur noch eingeschränkt nachkommen will.