Der Kollege Burhoff veröffentlicht eine aktuelle Entscheidung des AG Segeberg, wonach in Verkehrs-Owi-Sachen auch ohne Fahrverbot Mittelgebühren angemessen sind – und die Rechtsschutzversicherern gar nicht gefallen dürfte:
AG Bad Segeberg, Beschl. v. 30. 12. 2009 “ 5 OWiEH 116/09
Leitsatz:
1. Die Mittelgebühr ist angemessen, wenn die Ahndung zu 3 Punkten führt.
2. Die Höhe der Geldbuße ist für die Bestimmung der Gebühr ohne Belang.
Die Kostenentscheidung des Kreises Segeberg – Die Landrätin – vom 20.10.2009 wird auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Verteidigers des Betroffenen vom 26.10.2009 dahin abgeändert, dass die dem Betroffenen zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 485,03 Euro festgesetzt werden. Die festgesetzten Gebühren sind ab 16.09.2009 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB zu verzinsen. Die Landeskasse hat die Kosten des Antrags einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen.
Gründe: Die notwendigen Auslagen des Betroffenen waren festzusetzen, wie mit Schreiben des Verteidigers vom 11.09.2009 gegenüber dem Kreis Segeberg – Bußgeldstelle – (Bl. 65 f. d. A.) beantragt, mit der Maßgabe, dass eine Mehrwertsteuer auf die von dem Verteidiger ausgelegte Akteneinsichtspauschale in Höhe von 12,00 Euro nicht festgesetzt werden kann. Die Mittelgebühren der Rahmen der Nrn. 5100, 5103 und 5115 der Anlage 1 zum RVG (Vergütungsverzeichnis) waren erstattungsfähig. Gemäß Â§ 14 Abs. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Nach dieser Maßgabe war es nicht unbillig, die jeweilige Mittelgebühr anzusetzen.
Wegen des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war zu berücksichtigen, dass die Akte zwar nicht umfangreich, der Verteidiger aber auch Rechtsmittel gegen die Kostengrundentscheidung der Verwaltungsbehörde eingelegt hat. Die Schwierigkeit der Sache ist als Straßenverkehrsordnungswidrigkeit in jeder Hinsicht als durchschnittlich zu bewerten. Im Hinblick auf die Bedeutung der Angelegenheit kommt der (geringen) Höhe der im Bußgeldbescheid verhängten Geldbuße (60,00 €) keine eigenständige Bedeutung zu. Dies gilt sowohl bei der Bemessung der Grundgebühr (Nr. 5100), deren Rahmen ausdrücklich nicht an die Höhe der Geldbuße gekoppelt ist. Gleiches gilt für die Gebühren gemäß Nr. 5103 und 5115 W-RVG, denn die Höhe der Geldbuße ist schon Anknüpfungspunkt für die Frage, aus welcher Stufe der Rechtsanwalt seine Gebühren berechnet („Gebührenrechtliches Doppelverwertungsverbot“, vgl. Gerold-Schmidt, RVG, 18. Auflage 2008, Vorbemerkung Teil 5 Rn. 18). Die (schon) durchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen rührt insbesondere daraus, dass ihm wegen der vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit eine Eintragung von 3 Punkten in das Verkehrszentralregister drohte.
Einziger Wermutstropfen: Dass die Aktenversendungspauschale (§ 107 Abs. V OWiG) nach heute wohl ganz herrschender Meinung der Mehrwertsteuer unterliegt, scheint dem Gericht unbekannt zu sein.